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Diese vier Abhandlungen aus dein Grenzgebiet der politischen Geographie und Sociologie haben den doppelten Zweck, die Grund- lage für den Aufbau einer wissenschaftliche^ politischen Geographie zu ebnen und einige Beziehungen zwischen dem Boden und dem Staat der Menschen aus dem unfruchtbaren Zustand der Verbild- lichung herauszuheben. Erfüllen meine Ausführungen ihre Aufgabe, dann danke ich das zum guten Theil der persönlichen oder brief- lichen Diskussion wichtiger Fragen mit wissenschaftlichen Freunden, unter denen ich besondere Erkenntlichkeit schulde den Zoologen Otto Bt^TsciiLi in Heidelberg, Richard HERTlnriG in München und Ernst ZiEGLBR in Freiburg im Breisgau, den Historikern Karl Lampreght in Leipzig und Friedrich Teutsch in Hermannstadt, den Ethnographen William H. Dall in Washington (D. C] und J. D. Anutschin in Moskau, endlich meinen Schülern und Freunden Dr. Alexander A. Iwanofski in Moskau, Dr. Hans Helmolt und Gurt Müller in Leipzig. Leipzig im Januar 1896. Friedrich Ratzel. In vielen Büchern über politische Geschichte wird die Bedeu- tung des Bodens für den Verlauf der Geschichte beachtet, am meisten in den der Grösse ihres Gegenstandes würdigsten. Von Thukydides, der klare Vorstellungen darüber ausgesprochen hat, reicht bis zu MoMMSENs Römischer Geschichte mit ihren tiefen Gedanken über die geographischen Grundlagen in den Anfängen und Fortschritten des Römischen Reiches eine Kßtte ausgezeichneter Geschichtswerke, zu deren Wesen und Vorzuj? die tiefe Erfassung dieses Gegenstandes gehört. Es ist aber merkwürdig, dass das durchaus keine Ent- wickelungs reihe ist, sondern nur die Wiederaufnahme derselben 1* 4 Fribdrich Ratzbl, Gedanken, die allerdings ein starker Geist, wie Mommsbn schärfer formt und sozusagen monumentaler hinstellt als viele andere, ohne aber doch irgend einen davon besser zu begründen, d. h. systema- tisch zu behandeln. Es bleiben immer Aphorismen. So oft auch die aus der Natur eines Landes herauswirkenden politischen Kräfte gestreift worden sind, noch immer werden sie verkannt und missverstanden. Am häufigsten sind die extremen Fehler des Uebersehens und der Ueberscbätzung. Es käme darauf an, die Nothwendigkeit dieser Wirkungen zu begreifen, ohne die Schranken ihrer Bedingtheit zu übersehen. Nun liest man Sätze, wie »kraft des Gesetzes, dass das zum Staat entwickelte Volk die politisch unmündigen, das civilisirte die geistig unmündigen Nachbarn in sich auflöst, das so allgemein gültig und so Naturgesetz ist wie das Gesetz der Schwere« oder »Es war ein genialer Gedanke, eine grossartige Hoffnung, welche Caesar über die Alpen führte: Der Gedanke und die Zuversicht, dort seinen Mitbürgern eine neue grenzenlose Heimath zu gewinnen und den Staat zum zweiten Mal dadurch zu regenerieren, dass er auf eine breitere Basis gestellt ward«. Prüft man sie näher, so bleiben diese Gedanken nicht so klar und überzeugend, wie sie auf den ersten Blick erschienen. Viele Staaten sind auf eine breitere Basis gestellt worden, ohne dass sie das regeneriert hätte, besonders im Alter- thum, und der Auflösung der germanischen Barbarei in den civili- sierten Römern geht eine Auflösung des römischen Staats und der römischen Gesellschaft zur Seite, die den Vorgang mehr wie eine wechselseitige Zersetzung erscheinen lässt, in der am Ende das bar- barische Element obsiegt. Man weiss ganz wohl, was Momiisen will, möchte aber wün- schen, dass die hier berührten, höchst wichtigen Prozesse erst ein- mal gründlich untersucht worden wären, ehe sie so als gesetzlich hingestellt werden. Eben das Gesetzliche in ihnen wäre erst zu isolieren, wodurch allein die Umstände erkannt werden können, unter denen es wirkt. Auch unter einem Ausdruck wie »geschichtliche Nothwendigkeit«, dem die Ausdrücke »natürliche Nothwendigkeit des Gebietes« und »natürliche Nothwendigkeit des Volkes« bald entgegengesetzt und bald zur Seite gestellt werden, verbirgt sich das unbestimmte Gefühl eines tieferen Grundes der geschichtlichen Entwicklung. Man erkennt wohl Der Staat und sein Boden. 5 die feste Richtung, in der eine Entwickelung sich bewegt, die durch kleinere Einwirkungen nicht verändert werden kann, aber man um- grenzt nicht sicher die Ursache, deren geographische Natur man nur ahnt. Alle diese grossen ahnungsvollen Worte verhüllen mehr als sie erklären. Die beste Yergleichung leitet eigentlich immer von der Wahrheit ab oder lässt uns dieselbe höchstens vielleicht auf einem Umweg erreichen. Man prüfe den Werth des so oft wie- derholten Bildes von der »Gravitation« der Staaten und Völker, wofür Dboysen »Ponderation der Mächte« zu setzen pflegte. Hat es zur Einsicht in die unzweifelhaft wirksamen politischen Anziehungs- kräfte beigetragen? Man muss der Wahrheit die Ehre geben: es hat uns nicht einmal das Problem fest hingestellt. Woran liegt das Verharren der Erkenntniss dieses Gesetzlichen im Zustand der Ahnung oder Vermuthung? Warum kein Fortschritt zu lieferer Erfassung? Zu einem Gesetz gehört doch auch immer die Formulierung, sonst bleibt es eben Ahnung, Vermuthung. Die Thatsache, dass es sich um Beziehungen zwischen Volk und Boden handelt, lenkt den Blick nach der geographischen Seite. Da die Geschichtschreiber es nicht an Bemühungen haben fehlen lassen, den Gang der geschichtlichen Bewegungen zu verfolgen, deren Träger irgend ein Volk war, so kann es doch wohl nur an der Geographie fehlen, die zwar die Ergebnisse dieser Bewegungen in Karten und Büchern seit Jahrhunderten verzeichnet und darin eben- falls eine grosse Genauigkeit mit Hilfe der Kartographie und Statistik erreicht hat, aber nicht genügende Aufmerksamkeit solchen Fragen zugewendet hat, wie wir in den beiden oben angeführten Sätzen MomisBNs berührt finden. Wenn wir sagen, der erste Satz stellt uns vor das Problem des räumlichen Aufeinanderwirkens entwickel- terer und weniger entwickelter Staaten und der zweite vor das der Einwirkung einer grossen Raumerweiterung auf das Leben eines Staates oder Volkes, so sind wir auch gleich zu dem Geständniss gezwungen, dass uns die Abschnitte einer Allgemeinen Pohtischen Geo- graphie noch fehlen, in denen diese Probleme behandelt sein sollten. In den Staatenbeschreibungen, die die Politische Geographie jetzt zu einem hohen Grade von Vollständigkeit und Genauigkeit gehoben hat, werden Boden und Volk streng auseinander gehalten, weil ihre Trennung der auf Sonderung und klare Auseinanderlegung bedachten 6 Friedrich Ratzel, beschreibenden Wissenschaft die Arbeit erleichtert. Nun liegt aber gerade in ihrer Verbindung zu einem an und von der Erdoberfläche lebenden Organismus der Grund jener Lebenserscheinungen, für deren Verständniss mir also die Staatenbeschreibung ebenso wenig nützt, wie die topographische Anatomie des Menschen für das des mensch- lichen Lebens. Die Staatswissenschaft geht allerdings von der Zu- sammengehörigkeit aus. Sie sagt: Das Gebiet gehört zum Wesen des Staates; ein Staat ohne Gebiet ist undenkbar; das Ländergebiet, in dem er mit oberster Macht herrscht, ist die nothwendige Grund- lage der Existenz des Staates. Aber nachdem sie diese Verbindung statuiert hat, zergliedert sie den Staat, wie etwas todtes, schildert ihn wie ein Skelet und behandelt seine praktisch so wichtigen Wachs- ihums- und Rückgangserscheinungen wie wenn von einem Landgut hier ein Stück abgeschnitten und dort eines angesetzt wird. Das ist der Schreck vor dem Leben, der durch alle beschreibende, systematische und klassifikatorische Wissenschaft geht. In der Natur- geschichte hat man die bezeichnenden Namen Museumszoologie und Herbariumsbotanik; das ist in der Lehre vom Staat die Methode, vom Horror vitae diktiert, den Staat erst von seiner Grundlage zu lösen, und ihn zu studieren, nachdem man ihm so das Leben ausgetrieben hat. Da kann es kommen, dass man selbst so wichtige Organe wie die Grenze, nur als Linien oder Wände begreift, statt als die leben- erfüllten Werkzeuge einer der grossartigsten Lebenserscheinungen, die die Erde kennt. Ich weiss wohl, dass seit den Naturphilosophen gegen diese ertödtende Auffassung oft und energisch protestiert wor- den ist, suche aber vergebens in der Politischen Geographie die Flüchte der von Oken verkündeten Lehre, dass das Gemeinwesen der Menschen seiner Grundform nach nicht verschieden von denen der sogenannten Naturreiche sei. Man wird sie nicht eher ernten, als bis man die Auffassung des Staates als eines grossen, an die Erdoberfläche gebundenen und von ihr abhängigen Organismus in alle geographischen Betrachtungen und Darstellungen des Staates überträgt und keine seiner Eigenschaften anders auffasst denn als die eines lebendigen Körpers. Von aussen her ist nun in diese Probleme kein Licht zu bringen. Selbst die Beschreibung macht nur unwesentliche, äusserliche Fort- schritte, wenn nicht die ganze Auffassung ihrer Gegenstände von innen Der Staat und sein Boden. 7 » heraus verändert wird. Soviel für die Politische Geographie gethan wer- den kann durch sorgfältige und genaue Verzeichnung und Beschreibung der Staaten und Völker, ist geschehen. Ein tieferes Eindringen ist nur möglich durch das Studium am lebendigen Staatskörper. Man kann die Grenze noch so genau beschreiben und äusmessen, ihre wahre Bedeutung für den Staat und die Bedeutung jedes ihrer Theile wird man doch erst gewinnen, wenn man sie als ein peripherisches Organ des Staatsorganismus auffasst. Der Flächenraum kann noch so genau bestimmt werden, seinen Werth für den Sfaat lehrt doch nur die vergleichende Betrachtung des Raumes im wachsenden und zerfallenden Staat, im Staat der Naturvölker und im modernsten Culturstaat. Diese Betrachtungsweise allein führt endlich zur Er- kenntniss der Gesetze der Entwickelung und des Lebens der Staa- ten. Betonen wir, dass dabei Leben nie ohne Boden zu denken ist, so richten wir uns damit gegen eine weitverbreitete, aber an Er- folg nicht reiche Auffassung, aus der heraus Herbert Spencer die For-^ derung stellt, das Studium der Physiologie dem der Sociologie voran- gehen zu lassen. Carey setzt ihr die Erwägung entgegen : Der wirkliche Mensch wird im Schooss der Gesellschaft entwickelt, also sollte sein Studium dem des Gesellschaflskörpers folgen. Mit wie viel mehr Recht ist das Zurückgehen der Sociologie und politischen Geographie auf den Boden zu fordern, auf und von dem Gesellschaft und Staat leben ! Die Spuren dieser Auffassung muss auch schon die Beschreibung zeigen, die die Forschung vorzubereiten hat. Die Beschreibung eines lebendigen Körpers wird nämlich besonders in zwei Richtungen von der eines starren abweichen. Sie wird jenen als im Moment ruhend, aber doch mit den Zeugnissen oder Merkmalen der Bewegung dar- stellen. Dieser Forderung wird meist nur äusserlich dadurch genügt, dass die geschichtliche Vergangenheit in ihren Hauptzügen skizzirt wird. Und sie wird bei jedem Theil, den sie etwa einzeln beschreibt, das Ganze vor Augen haben und desswegen die Vollständigkeit an- streben, denn im Wesen des Organismus liegt es, dass er ein Ganzes ist. Eine Staatenbeschreibung ist vor allem unvollständig, wenn sie nicht die für das Leben wichtigen Theile genau und mit Bezug auf ihre Thätigkeit schildert. Dabei muss sie aber nicht bloss die con- ventionell als beachtenswerth angesehenen, vsrie Flächenraum, Bevöl- kerung, Lage und Grenzen berücksichtigen, sondern auch die innere 8 Fribdrigh Ratzel, Gliederung und die von ausserhalb der Grenzen herüberwirkenden Einflüsse. Nicht zuletzt gehören dazu die Verlheilung der ethnischen, culturlichen und wirthschafllichen Gruppen in dem Staate und in der Sphäre um ihn her, mit der er in Wechselwirkung steht. I. Der StaAt als bodenständiger Organismus. Berechtigung der Auffassung des Staates als Organismus. Die Auffassung des Staates als Organismus ist alt; sie geht bis auf Plato und Aristoteles zurück. Sie hat aber keine Entwickelung durchgemacht, die ihrem Alter entspricht. Auch sie ist in dem Jugend- zustand des Bildes stehen geblieben, den soviele politisch-geogra- phische Gedanken nie überwunden haben. Man nannte den Staat einen Organismus und war mit dem Vergleich zufrieden. Es trat der von Herbert Spencer treffend geschilderte Fall ein: Ein Bild, das zur Bezeichnung einer wirklichen Aehnlichkeit gebraucht wird, erweckt den Verdacht, dass es sich nur um eine eingebildete handle, und so wird die Auffassung einer tieferen Verwandtschaft verdunkelt^). Noch in der staatswissenschaftlichen Litteratur der letzten Jahr- zehnte giebt es Beispiele für dieses genügsame Verweilen beim Bilde ^. Ja, sogar in den Versuchen, den Begriff des politischen Organismus zu vertiefen, bei Denkern, wie Sghäffle oder Carry, die von der Wirklichkeit des organischen Charakters der Gesell- schaft und des Staates überzeugt sind, bleiben doch wichtige Eigen- schaften des politischen Organismus darum verborgen, weil ihr ganzes Bestreben sich allzusehr auf die Entdeckung pflanzlicher, thierischer oder einzelmenschUcher Analogien richtet. So bleibt aber die Aufgabe ungelöst. Das Eigenthümlichste der politischen Orga- nismen wird nicht durch die Entdeckung einer Analogie erkannt. Die Analogie gehört noch zum ästhetischen Theil des Denkens und Darstellens; es ist etwas Spielendes in ihr, so gedankenzeugend sie auch wirken kann. Das wäre ein Schritt zur Erkenntniss nur, wenn gleich der zweite darauf folgte. Und dieser müsste mit der Frage Der Staat »nd sein Boden. 9 gethan werden: Welcher Art von Organismus gehört der Staat zu? Zwei neue Wege der Forschung würden sich nun aufthun, der eine sich richtend auf die eigenthümiichen Beziehungen dieses Orga- nismus zu seinem Boden und seine merkwürdige Entwicklung auf umd mit diesem Boden, und der andere auf die weiterführende Frage: Ist der Staat der Menschen ein vollkommener oder unvollkommener Organismus? Auch ohne alles weitere Fortschreiten in die Tiefen des Problems wäre damit der grosse Vortheil gewonnen, dass die nothwendige Beschränktheit dieses Vergleiches zwischen Staat und Organismus erkannt und dem Staat die Sphäre gewahrt würde, wo er nicht mehr Organismus sein kann. Unter allen Sociologen hat Herbert Spencer den Vergleich einer mensch- lichen Gesellschaft mit einem Organismus am weitesten geführt. Die orga- nische Auffassung tritt in den verschiedensten Theilen der Principien der Sociologie hervor und ihr ist der ganze zweite Theil des ersten Bandes gewidmet 3). Eine Anzahl der wesentlichsten Eigenschaften ist hier zum ersten Mal klar bezeichnet. Dazu gehört besonders das organische Wachs- thum und die eigenthümliche Zusammensetzung der Gesellschaft aus selb- ständigen Einzelwesen. Sowie aber der Vergleich ins Besondere geht, zeigt sich, dass auch dieser Denker den geschlossenen, mehr oder weniger hoch entwickelten Pflanzen- oder Thierorganismus im Sinne hat. So wenn er das Wachsthum eines gesellschaftlichen Organismus durch Wanderung aus einem andern gesellschaftlichen Organismus in seinen biologischen Beispielen nicht finden kann. Oder noch mehr, wenn er das Wachsthum der Straktur mit dem Wachsthum der Hasse, wie im hochentwickelten Organismus auch im Organismus der Gesellschaft erscheinen lüsst, was sich natürlich nur auf die geistige Seite des Staates beziehen kann, die für uns aus diesem Ver- gleiche ausscheidet. In dieser Beziehung geht Sghäffle gewiss tiefer, wenn er gerade hier das Ende der Analogie des Organismus sieht ^). Unter Thieren und Pflanzen ist der Organismus am vollkommen- sten, in dem die Glieder dem Dienst des Ganzen die grössten Opfer an Selbständigkeit zu bringen haben. Mit diesem Maasse gemessen, ist der Staat der Menschen ein äusserst unvollkommener Organismus, denn seine Glieder bewahren sich eine Selbständigkeit, wie sie schon bei niederen Pflanzen und Thieren nicht mehr vorkommt. Es gibt Algen und Schwämme, die als organisirte Wesen ebenso hoch stehen wie der Staat der Menschen. Hier läge ein Angriffspunkt für die Gegner der organischen Auffassung, der noch auszunützen wäre. Es würde sich allerdings bald ergeben, dass die klassische Bezeichnung des Staates als Mensch und des Menschen als Staat irreführt. Was 4 Friedrich Ratzel, diese als Organismus so unvollkommene Vereinigung von Menschen, die wir Staat nennen, zu so gewaltigen, einzigen Leistungen beföhigt, das ist eben das von Schäffle so stark betonte Eigenartige, dass es ein geistiger und sittlicher Organismus ist. Der geistige Zusammen- hang tritt in die Lücke der thierischen Organisation und darauf passt allerdings dann kein biologischer Vergleich mehr. Was den Orga- nismus geistig führt und leitet, das ist eben das über die Welt der übrigen Organismen hinausliegende. Es ist aber ganz begreiflich, dass die Biologen, die sich mit der organischen Natur des Staates beschäftigen, gerade für die morphologischen und biogeographischen Eigenthümlichkeiten des politischen Organismus ein schärferes Auge haben^). Steht ihnen doch die unendliche Mannigfaltigkeit der pflanz- lichen und thierischen Organismen zu Gebote, in der sie leichter für die Besonderheiten des Staates der Menschen das Vergleichsmaterial finden werden, als die Sociologen, die nur diesen einen Organismus genau kennen. Sie werden sofort den aggregatartigen Charakter des Staates der Menschen, und zugleich aber seine starke Centrali- sation hervorheben. Sie würden ihn vielleicht als einen Aggregat- Organismus mit ungewöhnlich stark entwickeltem Centralorgan be- zeichnen. Für den Zoologen ist ja der Staat nur eine von den Formen der Beziehungen zwischen Individuen derselben Art, aus- gezeichnet vor anderen durch den geringeren Grad wechselseiliger Abhängigkeit. Wo er keinen körperlichen Zusammenhang sieht, wird er den räumlichen durch die gemeinsame Lebensgrundlage gegebenen um so stärker betonen. Auch wird er die in der Bildung der Thier- staaten entscheidenden Motive des Geschlechtslebens zwar im Keim des Staates, dem Hausstand, nicht aber im entwickelten Staate finden. Und wenn auf den ersten Blick der Ursprung des Vergleiches zwischen Staat und Organismus in der Vereinigung einer Anzahl von Einzelorga- nismen zu gemeinsamen Leistungen liegt, die an die Einzelnen und Gruppen nach dem Gesetz der Arbeitstheilung vertheilt sind und diffe- renzierend auf sie wirken , so ergiebt sich doch bald ein grosser tiefgehender Unterschied in der Art dieser Differenzierung, die in der organischen Grundlage des Staates vom Boden, in der geistigen Orga- nisation des Staates aber von der Vertheilung und Richtung der Funktionen abhängt. Der Staat und sbin Boden. 1 I Die Elemente des staatlichen Organismus. Nicht der einzelne Mensch, sondern der Hausstand gewähr- leistet die wichtigste aller Eigenschaften des Staates, die Dauer. Mit dieser ist die Ausbreitung mit gleichartigen Eigenschaften über ein weites Gebiet hin eng verknüpft, d. h. mit dem zeitlichen der räumliche Zusammenhang. Im Hausstand erneuern sich ununter- brochen die Generationen, von hier geht die Möglichkeit aus, im Staat die Erwerbungen und Erfahrungen der aufeinanderfolgenden Geschlechter anzusammeln und seine Träger nicht nur zu erneuem sondern auch zu vermehren. Für die Entwickelung des Staates ist die Sicherstellung seiner Dauer im Hausstand die Lebensfrage. Ob dieser nun monogamisch oder polygamisch, ob auf Einzel- oder Stammesbesitz begründet ist, ändert daran nichts. Man wird vom Staat der Menschen nicht sagen wie vom Thierstaat, dass der Aus- gangspunkt für die Staatenbildung das Greschlechtsleben sei. In dieser Beziehung ist vielmehr der Thierstaat nur in Parallele zu setzen mit* dem Hausstand der Menschen. Denn auch im Thierstaat stehen der Geschlechtstrieb und der Trieb der Sorge für die junge Brut im Vordergrund. Alle Insektenstaaten sind auf der letzteren aufgebaut. Aber im menschlichen Staat sind diese Sorgen dem Hausstand zu- gewiesen und der Staat hat mit ihnen nur auf jenen untersten, weit zurückliegenden Stufen zu thun, wo er mit dem Hausstand zusammen- fällt. Nur hier ist die Uebereinstimmung mit dem Thierstaat deutlich, allerdings immer nur im Rahmen des Aggregat-Organismus, dessen Glieder sich auch den Zwecken der Fortpflanzung gegenüber selb- ständig erhalten. In dieser Beschaffenheit des staatlichen Organismus liegt die grosse Bedeutung der Einzel menschen, deren natürliche Ueber- einstimmung über alle Unterschiede der Hausstände und sonstigen Gruppen sich geltend und alle diese Abgliederungen ähnlich macht, aus allem Zerfall und allen Verwandlungen ähnliche wieder hervorruft. Die Menschen gehen aus einem Theile des Landes in andere Theile über und vertauschen eine Leistung für den Staat mit der anderen. Nur die Bodenunterschiede, aus denen verschiedenartige Beziehungen zu den Bewohnern entstehen, erzeugen durch Abstufungen der Lage, Zusammendrängung und Verbindung etwas, was mit Organbildung 12 Fribdrigh Ratzbl, verglichen werden könnte. So kommt es, dass man sich in der geographischen Beschreibung eines Landes viel leichter der Verglei- chung mit einem Organsystem bedient, von peripherischen und centralen Provinzen und dergleichen spricht als in einer ethnogra- phischen Darstellung. Ruht der Staat auf der organischen Verbindung der Menschen mit dem Boden, so ist damit doch mehr als seine Grundlage ge- geben. Seine Grösse und Gestalt, wie sie durch die Grenzen be- stimmt sind, gehen allerdings nicht aus dieser Grundlage hervor, sondern werden in sie hineingetragen, aber nicht ohne von Anfang an den Einfluss der Unterlage zu erfahren. ReUgiöse und nationale Motive, geschichtliche Erinnerungen und nicht zum wenigsten der mächtige Wille eines Einzelnen wirken staatenbildend. Leitende Ge- danken bemächtigen sich der Geister und lenken den Willen aller der Einzelmenschen eines bestimmten Gebietes; und soweit nun diese leitenden Gedanken reichen, reicht auch der Staat. Hat er 'sich aber einmal seine Grenze gezogen, dann sind die Vorgänge der Abschliessung, der Ausbreitung, des Austausches an dieser Grenze und über diese Grenze genau wie in der Peripherie eines zusammengesetzten Organismus. Und so ist denn in allen Lebens- äusserungen des Staates der geistige Zusammenhang aus der körperli- chen Grundlage heraus wirksam und dadurch ist der Organismus im Staat eine Wirklichkeit ebenso gut wie die geistige Gemeinschaft es ist. Allein in diesem Sinne, aber nur in diesem, hat auch der alte Doppelvergleich: Der Mensch ein Staat, der Staat ein Mensch noch eine gewisse Berechtigung. Dass in das Geistige des Staates von dieser organischen und Bodengrundlage sehr viel eingeht, zeigt die ganze Staatenentwickelung. Es giebt eine kleinräumige Auffassung des Staates, die auf engen Flächen gedeiht, und eine grossräumige, die in weiten Ländern heimisch ist. Selbst in die innerafrikanischen Kleinstaaten wird das räumliche Wachsthum von aussen herein durch fremde Eroberer mit grossen Raumgedanken getragen und die grössten afrikanischen Staaten waren (vor der Zeit der europäischen Kolonien auf afrikanischem Boden) Gründungen von grossräumigen Steppen- bewohnern auf dem engeren Boden der Ackerbauer. So schöpfen die Amerikaner aus ihrem weiten, kaum bewältigten Erdtheil eine Auffassung von politischen Räumen die grösser ist, als die euro- Der Staat und sein Boden. 13 päische und in Europa wohnt eine grössere Auffassung im Osten als im Westen. Der Raum in diesem Sinn geht in den Geist der Völker über und wirkt ganz losgelöst von den örtlichen Bedingungen als »Raum an sich« und »politischer Raumsinn« in Einzelnen und in ganzen Völkern. Ebenso geht die Lage und gehen andere natür- liche Eigenthümlichkeiten in den Geist des Volkes über, das unter ihrem Einflüsse sich entwickelt. Den Thierstaaten und -Gesellschaften ist die engere Beziehung zum Bo- den durchaus nicht fremd und zwar in Formen, die lehrreich für das Verstandniss der menschlichen Staaten sind. Einmal bilden bei Bibern, Murmelthieren und ahnlichen diejenigen Thiere eine Gesellschaft, deren Baue beisammen liegen. Ein mehr oder weniger grosses Gebiet empfangt dadurch einen besonderen Charakter. Der Termitenbau gehört ja selbst im topographischen Sinn so gut zur Erdoberfläche wie die Mauern und Thttrme einer Stadt. In anderer Weise erinnert an den territorialen Staat die Herrschaft über ein Gebiet, wie sie einzelne Raubthiere beanspruchen, die ihre wettbewerbenden Artgenossen aus einem bestimmten Baume ver- treiben. Das finden wir nicht nur bei Einzelnen, sondern auch bei Gesell- schaften. So schreibt Brbbm: Die meisten Aflen schlagen sich in Banden zusammen; von diesen erwählt sich jede einzelne ihren festen Wohnsitz, welcher grösseren oder geringeren Umfang haben kann. Von ihm aus wer- den dann Raubzüge nach Früchten in Gärten und Feldern unternommen. Dass diese festen Wohnplatze mit Rücksicht auf den Schutz gewählt werden, den sie gewähren, vermehrt noch die Aehnlichkeit der ganzen Einrichtung mit der Grundlage des territorialen Staates, besonders wenn wir Geschlecht auf Geschlecht von diesen selben Stätten aus dieselben Gebiete ausbeuten sehen. Die Grenze des Organismus im Staat. Auch die Entwickelung des Staates ist einmal die Einwurzelung durch die Arbeit der Einzelnen und der Gesammtheit auf dem ge- meinsamen Boden und dann die Herausbildung der geistigen Zu- sammenfassung aller Bewohner mit dem Boden auf ein gemeinsames Ziel hin. Jene ist die Entwickelung des Organismus, dieses die der ihn leitenden geistigen Kräfte. In dem kleinen Dorfstaat der Neger der auf einer gerade für Anbau und Schutz eben genügenden Fläche sich behauptet, über die er ohne äusseren Anstoss sich nicht hinaus verbrei- tet, ist fast nur das organische Wachsthum thütig. Sobald durch den EinQuss eines mit Zauberkräften oder expansiver Energie ausgestat- teten Häuptlings oder durch die ausgreifende Handelsthätigkeit der Eingeborenen dieser Staat wächst, der einer Keimzelle glich, kora- 4 4 Friedrich Ratzsl, men die geistigen Kräfte in zunehmendem Maasse in Wirksamkeit. So passt also die Definition des Staates als Organismus mehr auf die primitiven als auf die fortgeschrittenen Staaten. Je höher ein Staat entwickelt ist, desto weiter ist er von einem Organismus entfernt, denn seine ganze Entwickelung ist ja ein Herauswachsen aus der organischen Grundlage. Hat man einmal gefunden, dass der Staat als Organismus neben anderen Organismen höchst unvollkommen ist und dass erst die geistigen und sitt- lichen Mächte, die ihn durchwalten, diese Unvollkommenheit aufheben, dann wird man die Kritik nicht auf die Erkenntniss eines Organismus im Staat an und fUr sich, sondern vielmehr auf die Grenze des Organismus im Staate richten. Von einer solchen Kritik ist nun allerdings nur eine Vermuthung zu finden in der eingehenden Prüfung der Anwendung der Biologie auf die Gesellschafts- und Staatslehre, die Mengbr in einem besonderen Kapitel sei- ner Untersuchungen über die Methode der Staatswissenschaft ^] anstellt. Wohl weist sie darauf hin, dass nur ein Theil der Socialerscheinungen eine Ana- logie mit den natürlichen Organismen aufweist. Wenn sie aber weiter sagt, die Analogie sei da, wo sie vorkommt, nicht vollständig, so trifft das eben nicht die Grundthatsache, dass der Mensch als organisches Wesen sich zu organi- schen Aggregaten sammelt und zu organisirten Gesellschaften und Staaten entwickelt. Garet war der Erkenntniss schon viel früher nahegekommen, dass die Vollkommenheit des Staates mit seiner Unvollkommenheit als Organismus eng zusammenhänge. Für ihn ist ja die Anziehungskraft örtlicher Mittel- punkte die grosse Bedingung der Gesundheit der Staaten. »Was dezentrali- sierend wirkt, was die Schaffung örtlicher Verwendung von Zeit und Talent begünstigt, giebt dem Land Werth, befördert seine Theilung und befähigt die Glieder der Familien engere Berührung zu bewahren a. "^j Sein Vergleich grösserer Gemeinschaften mit Planetensystemen, in denen diese lokale An- ziehung der anziehenden Kraft eines Centralkörpers untergeordnet ist, kann nur als Bild angenommen werden, wenn er ihm auch einen höheren Bang zuweisen will. Sein Schluss: »Je vollständiger die örtliche Anziehung der des Mittelpunktes das Gleichgewicht hält, d. h. je mehr die Gesellschaft sich den Gesetzen anpasst, die unsere Weltsysteme regieren, desto harmonischer muss die Thätigkeit aller Theile sein«, ist nur eine ganz allgemeine Wahrheit. Mit diesem Bilde hat schon der weitere Schluss nichts zu thun: Je voll- kommener die Organisation der Gesellschaft und je grösser die Verschieden- artigkeit der Anforderungen an die Uebung der Geistes- und Körperkräfte, desto höher wird sich der Mensch als ein Ganzes erheben und desto scharfer werden die Gegensätze unter den Menschen werden. Die Weltsysteme sind unendlich einfach im Vergleich mit dieser höchst differenzierten Gesellschaft. Der Vergleich reicht nur bis zum inneren Gleichgewicht und es ist wunder- bar, dass Carey vom Organismus des Staates zum Planetensystem übergeht, ohne zu betonen, dass in diesem Vergleiche eben die Unvollkommenheit des Staates als Organismus offen liegt. Dbr Staat und sein Boden. 4 5 Organismus ist auch für Sghäffle nur die relativ beste alier bild- lichen Bezeichnungen des Staatesc.^) Ein Stützpunkt der Staatslehre kann aber nach seiner Auffassung dieser Vergleich nicht werden. Man wird ihm Recht geben müssen, wenn er sagt, der Staat sei nicht Erschei- nung des organischen, sondern des neuartigen socialen Lebens. Sicherlich erschöpft die Bezeielinung »Organismusa nicht das ganze Wesen des Staates. Aber so wie es nicht die göttliche Seele des Menschen läugnen heisst wenn man sagt, der Mensch sei ein organisches Wesen, so ist mit der Bezeichnung Organismus des Staates nicht ausgeschlossen, dass der Staat ein sittlicher Organismus seu Dass dieses Bild die Vorstellung erwecken kann, es wolle Höheres aus dem Niederen gedeutet werden, bildet kein Hinderniss. Theil- auffassungen sind für die Erkenntniss unentbehrlich, kein Problem wird gleich in seiner Ganzheit bewältigt. So ist auch unsere geographische Auf- fassung des Staates unvollständig, aber sie ist es mit dem Bewusstsein, sich auf das beschränken zu müssen, was am Staat geographisch ist. Für uns bedeutet daher der Organismus des Staates mehr als ein Bild, nämlich eine mit allen Mitteln der geographischen Wissenschaft und Kunst erforschbare und darstellbare Thatsache. Auch in Herbert Spencers langen Kapiteln über die Üebereinstimmungen zwischen »body politica, »political Organization« und dgl. und einem Organismus und die daraus entfliessende Nothwendigkeit sich zum Studium der sozialen Organisation durch das Studium individueller Organismen vorzubereiten, findet man nur ein Schema von sozialer Organi- sation. Es muthet uns wie ein leeres Balkengerüst an, aus dem wir keinen Thurm hervorwachsen sehen. Die specifischen Eigenschaften der Organismen, die durch die Verbindung grösserer Menschenzahlen auf einem gemeinsamen Raum und zu einem gemeinsamen Zweck entstehen, studiert dieser Philo- soph so wenig wie irgend einer seiner Vorgänger. Man kann sich keinen treffenderen Beleg denken für Spencers Haften an Abstraktionen und für die Verwechselung des warmen Lebens mit starren Systemen und Abrissen als dieses Uebersehen einer so wesentlichen Eigenschaft der staatlichen Orga- nismen, wie es das Haften am Boden ist. Es ist doch gerade als wenn Jemand ein Korallenriff beschriebe und vergässe dabei, dass die Korallen- thierchen durch ihre Kalkgehäuse mit einander und mit dem Boden zu einem Ganzen verbunden sind, einem Riff oder einer Insel, das etwas Neues ist und doch nur aus den alten Elementen besteht. Es ist sehr bezeichnend für das vollkommene Fehlen der geographischen Auffassung bei Spencer, dass er als ein mögliches Argument für die organische Natur der Gesellschaft den engen Zusammenhag der Menschen mit ihren Hausthieren und Gulturpflanzen zu- lässt, um den Gegner zu widerlegen, der die enge Vereinigung der Einzel- wesen im thierischen oder pflanzlichen Organismus der Zusammenhangslosig- keit der Einzelwesen der menschlichen Gesellschaft gegenüberstellt. Der zusammenhängende Körper eines Thieres bestehe nie durchaus aus lebendigen Einzelwesen, sondern immer zu einem grossen Theile aus diflFerenzirten Theilen, die durch die lebendigen gebildet, aber mit der Zeit halb lebendig oder unlebendig geworden seien. Aehnlich könne man die menschlichen Wesen mit diesen ihnen gesellten thierischen und pflanzlichen zusammen- 16 FniBDRiGH Ratzel, fassen, die denselben Boden wie die menschliche Gesellschaft bewohnen. £s entstehe daraus ein Aggregat, dessen Zusammenhang (Gontinuitätj dem eines individuellen Organismus näherkomme. Wie künstlich! Spencer widmet sehr viel Aufmerksamkeit den allgemeinen organischen Eigenschaften der mensch- lichen Gesellschaften und Staaten. Als solche beschreibt er die wechselseitige Abhängigkeit der Theile, den Austausch zwischen ihnen und die Theilung der Arbeit. Dann geht er sogleich zum Studium der Einzelmenschen ttber, die mit den Gesetzen der Veränderlichkeit und Vererbung, der Vermehrung im Ver- hältniss zu den Nahrungsmitteln, des Ueberlebens des Passendsten in die Gesellschaft und den Staat eintreten. Daher sind diese denselben Gesetzen unterworfen. Wenn man aber glaubt, das biologische Grundgesetz der Anpassung jeder Art von Organismus an seine Daseinsbedingungen werde endlich auf die Beziehungen der politischen Organisationen zu ihrem Boden führen, so täuscht man sich. Spencbr streift nur die natürlichen Daseins- bedingungen, um zu den sozialen überzugehen, die er allein eingebend be- trachtet, wie denn seine ganze Darlegung die staatlichen Organismen hinter den gesellschaftlichen zurücktreten lässt. Die Bedeutung des Bodens für die organische Auffassung des Staates und die nothwendigen Schranken dieser Auf- fassung. Wenn so viele Versuche, wissenschafllich an den Staat als Organis- mus heranzukommen, so wenig Früchte getragen haben, so liegt die Hauptursache in der Beschränkung der Betrachtung auf die Analogien zwischen einem Aggregate von Menschen und dem Bau eines organi- schen Wesens, das als Organismus hoch über dem Staat der Menschen steht. Alles was sich in jenem Aggregat auf die wechselseitige Abhängigkeit der Einzelnen von einander und auf den Austausch und Verkehr zwischen ihnen bezieht, tritt dabei in die vordere Reihe. Es sind die Strukturverhältnisse, die dabei immer wieder von Neuem verglichen werden. Aber in ihnen gerade liegt der auffallendste Unterschied zwischen dem Staat der Menschen und einem organischen Wesen. Dort das individualisierteste Erzeugniss der Schöpfting, der Mensch, der keine Faser und keine Zelle von seiner Wesenheit dem Ganzen opfert, dem er sich eingliedert, in dem alle Theile einander gleich sind und jeden Augenblick als selbständige Geschöpfe sich aus ihm wieder herauslösen können. Dagegen im Organismus eine Unterordnung des Theiles unter das Ganze, die dem Theile irgend etwas von seiner Selbständigkeit nimmt und es im Interesse des Ganzen umgestaltet. Das vollkommenste Der Staat €nd sein Boj^en. 17 Thier zeigt die Elemente, ajs denen es sich aufbaut in der denkbar grössten Abhängigkeit und Unselbständigkeil, der vollkommenste Staat ist der, dessen Bürger ihre Individualität am reichsten im Dienste des Staates ausbilden. Selbst in den Thierstaaten begegnen wir der Umwandlung der ursprünglich gleichen Glieder in weit von- einander verschiedene Werkzeuge. Man konnte einmal glauben, in den Sklavenstaaten mit rassenhaft verschiedener Bevölkerung eine Annäherung an solche Organisationen zu erblicken. Dort zwang ja eine höher begabte Rasse eine anscheinend niedriger angelegte für sie zu arbeiten. Aber die Sklaverei ist nun gerade in allen den Ländern aufgehoben, wo die weitest verschiedenen Rassen, die weisse und die schwarze, sich in dieser Weise über einander ge- schichtet hatten. Und wenn auch die freigelassenen Schwarzen immer im Allgemeinen tiefer stehen werden als ihre weissen Mit- bürger, wird doch nie mehr von einer scharfen Yertheilung der Rassen nach ihren Funktionen im socialen Organismus die Rede sein können und noch weniger von einer noch weitergehenden Sonder- entwicklung als Träger dieser Funktionen. Auch hier hat der Mensch sein von dem Maass der Begabung unabhängiges Recht des Individuums zurückerworben, das er nach der Lage der Sache nie- mals hätte verlieren sollen. Wir werden sehen, dass ebendesshalb von Organen des Staatsorganisraus nur in einem beschränkten Sinne und zwar mehr mit Bezug auf den Boden des Staates als auf die Menschen gesprochen werden kann. So finden wir denn in allen Gesellschaften der Menschen immer das Individuum wieder und erkennen gerade darin ein Hauptmerkmal ihrer Staaten, dass ihrer Organisation die Selbständigkeit der Individuen Schranken zieht. Das stoGTlich Zusammenhängende am Staat ist aber nur der Boden und daher denn die starke Neigung, auf ihn vor allem die politische Organisation zu stützen, als ob er die immer getrennt bleibenden Menschen zusammenzwingen könnte. Der Neigung, die Bewohner eines Staates so eng wie möglich zusammenzubringen, ent- springt auf niederer Stufe, die Vereinigung aller um den Häuptling im Mittelpunkt des Ländchens und auf höheren der Stadtstaat der Semiten und Griechen, der auch später noch oft wiedergekehrt ist. Aber auch diese Zusammendrängung ändert nichts am Wesen der Zu- sammensetzung des Staatsorganismus aus Individuen, die ihrer Selb- Abhandl. d. K. S. Uesellsch. d. Wissenseh. XXXIX. 2 18 Feibmigb Ratzbl, standigkeit immer nur vorübergehend sich begeben, die immer be- weglich bleiben, immer die Fähigkeit bewahren, sich bunt durch- einander zu schieben und über weite Entfernungen hin zu wandern. Je grosser die MOgUchkeit des Auseinanderfallens, desto wichtiger also der Boden, in dem sowohl die zusammenhängende Grundlage des Staates als auch das einzige greifbare Zeugniss seiner Einheit gegeben ist Ein zweiter Zusammenhang mit dem Boden ist geistiger Natur. Er liegt in der ererbten Gewohnheit des Zusammenlebens, in der gemeinsamen Arbeit und im Bedürfniss des Schutzes gegen aussen. Jene erweitert sich bis zu dem Nationalbewusstsein , das Millionen von Menschen zusammenhält; aus der gemeinsamen Arbeit wachsen die zusammenhaltenden wirthschaftlichen Sonderinteressen der Staaten hervor; und das Schutzbedurfniss giebt einem Herrscher die Macht, den Zusammenhalt aller Bewohner eines Staates zu erzwingen Aber auch dieser Zusammenhang zieht viel von seiner Nahrung aus dem Boden. Der Boden ist nicht bloss der Schauplatz und Gegenstand der gemeinsamen Arbeit, sondern aus ihm kommen die Früchte dieser Arbeit, die von seiner Güte und Ausdehnung wesentlich ab- hängen. Die Gewohnheit des Zusammenlebens verbindet nicht bloss die GUeder eines Volkes miteinander, sondern auch mit dem Boden, in den die Reste der vergangenen Geschlechter gebettet sind. Es entwickeln sich daraus religiöse Beziehungen zu heiligen Orten, die oft viel stärkere Bande weben als die einfache Gewohnheit oder die gemeinsame Arbeit. Und das Schutzbedurfniss umgiebt das Land mit festen Grenzen und baut feste Orte, deren nächster Zweck die Festhaltung des Bodens ist, und die dem Boden selbst angehören. Die geographische Auffassung des Staates. Der Mensch ist also nicht ohne den Erdboden denkbar und so auch nicht das grösste Werk des Menschen auf der Erde, der Staat. Wenn wir von einem Staate reden, meinen wir gerade wie bei einer Stadt oder einem Weg immer ein Stück Menschheit und ein menschliches Werk und zugleich ein Stück Erdboden. Die beiden gehören nothwendig zusammen. Der Staat muss vom Boden leben. Die Staatswissenschaft spricht das etwas verblasst aus, wenn sie sagt: Das Gebiet gehört zum Wesen des Staates. Sie Der Staat dnd sein Boden. 19 bezeichnet die Souveränität als das Jus territoriale und legt die Regel nieder, dass Gebietsveränderungen nur durch Gesetze vorgenommen werden können. Das Leben der Staaten lehrt uns aber viel engere Beziehungen kennen. Wir sehen im Laufe der Geschichte alle po- litischen Kräfte sich des Bodens bemächtigen und dadurch staaten- bildend werden. Stände und Gesellschaften, Handel und Religion schöpfen aus dieser Quelle politischer Macht und Dauerhaftigkeit und werden dadurch staatenbildend. In unserem Jahrhundert drängen sich dazu die nationalen Ideen heran. In der Formel : Die Deutschen ruhlten das Bedürfniss, eine politische Form für ihre Gesammtheit zu schaffen, liegt der Sinn : sie strebten nach territorialer Zusammen- schliessung und Abgrenzung, um sich einen sicheren eigenen Boden zu wahren. So wird uns denn der Staat zu einem Organismus, in den ein bestimmter Theil der Erdoberfläche so mit eingeht, dass sich die Eigenschaften des Staates aus denen des Volkes und des Bodens zusammensetzen. Die wichtigsten davon sind die Grösse, Lage und Grenzen, dann Art und Form des Bodens sammt seiner Bewachsung und seinen Gewässern, und endlich sein Yerhältniss zu anderen Theilen der Erdoberfläche. Dazu rechnen wir vor allem das Meer und auch selbst die unbewohnbaren, (anökume- nischen) Gebiete, denen auf den ersten Blick gar kein politisches Interesse innewohnt. Sie alle bilden zusammen »das Land«. Spre- chen wir aber von »unserem Land«, so verbindet sich in unserer Vorstellung mit dieser natürlichen Grundlage alles, was der Mensch darin und darauf geschaffen und von Erinnerungen gleichsam hin- eingegraben hat. Und so erfüllt sich der ursprünglich rein geogra- phische Begriff nicht bloss mit politischem Inhalt, sondern er geht eine geistige und gemüthliche Verbindung mit uns, seinen Bewoh- nern und mit unserer ganzen Geschichte ein. Der Staat ist uns nicht ein Organismus bloss weil er eine Ver- bindung des lebendigen Volkes mit dem starren Boden ist, sondern weil diese Verbindung sich durch Wechselwirkung so sehr befestigt, dass beide eins werden und nicht mehr auseinandergelöst gedacht werden können, ohne dass das Leben entflieht. Boden und Volk tragen beide zu diesem Resultate in dem Maasse bei, als sie die Eigenschaften besitzen, die nothwendig sind, wenn eines auf das andere vvirken soll. Ein unbewohnbarer Boden nährt keinen Staat. 20 Fribdbich Batzbl, er ist ein geschichtliches Brachfeld. Wir finden in Arabien, also hart neben grossen Staaten, Landschaften die in alter und neuer Zeit keine Staaten getragen und keine geschichtliche Bedeutung ge- wonnen haben. Ein bewohnbarer und natürlich umgrenzter Boden begünstigt dagegen die Staaten-Entwickelung. Ist eine Volksindivi- dualitat natürlich in ihrem Gebiete begründet, so ersteht sie immer wieder neu mit den Eigenschaften, die aus ihrem Boden heraus in sie eingehen. Oft kommt dieses Naturgebiet erst im Rückschwanken der geschichtlichen Welle zur rechten Geltung, wie Griechenland und Italien in ihre natürUchen Gebiete aus Weltstelluagen zurück- gekehrt sind und ein beschränkteres organisches Wachsthum neu be- gonnen haben. Das Gefühl des Zusammenhanges mit dem Boden ist auch nirgends so stark wie dort, wo der Boden so gut begrenzt und dadurch so scharf individualisirt ist wie möglich, also in Inselländern, in deren Bewohnern ebendesshalb der kräftigste Nationalsinn gedeiht. *'ig. 1. * • • KuttuntH I ^ '~'* - tlitsst Südliche SandehsfcMt«!! im Stromgebiet des Bomokuidi. Naoli JinrKBft*B Aafinahmen. Yerkl. 750,000. So ist denn auch die Entwickelung jedes Staates eine fortschrei- tende Organisation des Bodens durch immer engere Verbindung mit dem Volk. Wächst auf gleichem Raum die Volkszahl, so vermehren sich die Verbindungsfäden zwischen Volk und Boden, die natürlichen Hilfsquellen werden immer mehr entwickelt und vergrössern die Macht des Volkes, das aber auch in demselben Maasse von seinem Boden abhangiger wird. Je mehr Boden, desto lockerer der Zu- Dpk Staat und sein Boden. 21 äammenhang seines Volkes mit ihm. Der Unterschied zwischen dem .Staate eines Culturvolkes und eines barbarischen liegt immer darin, dass dort diese Organisation viel weiter vorgeschritten ist als hier. Wenn wir die Karte eines Negerstaats zeichnen, ist es das einfache Bild eines Elementarorganismus: Das Dorf des Häuptlings im Mittel- punkt, rings umher Dörfchen in Garten- und Ackerstücken und dar- über hinaus die Grenzwildniss, durch die ein Pfad oder zwei in die Nachbargebiete führen. Welcher Abstand auch schon von der ab- gekürzten und zusammengedrängten Generalkarte irgend eines ganz unbedeutenden europäischen Staates mit seinen kleinen und grossen Siedelungen, Grenz- und Hauptstädten, Festungen, Wege-, Canal- und Bahnnetzen. Und doch ist diess nur das Schema des lebendigen Körpers, das gar nichts von der politischen Idee ahnen lässt^ die ihn be- seelt. Auch diese hat ihre Entwickelung. In jenem einfachen Staat ist diese Idee Fig. 2. wohl nur ein Herr- ^v^^,^ ^ - : •: scherwille und so \^i''}^W$!M'^^- vergänglich wie ein . .^:.^:^^J^■"':^■^^$• Menschenleb^n , in :/^'K''''^-:^^'^i?^S^^^ diesem Kulturstaat ist ,^K;v/^^ '•'..;:^> :^'^ ' das ganze Volk ihr . . '^. ^;' ^^^!^ ' Träger. Damit er- . ; ': ^ :;:V:'; y^' . neuert die Seele des •■'^:j^<'r''::\\-^:: Staats unablässig ihr ; \ ;/^ ^v ^ '""■" Leben wie die Ge- .••;•* -y-yy nerationen aufeman- . /: v:; der folgen. Die kräf- : V ;. ; ^ /} /. / ligsten Staaten sind .vi;:/ .^; ^ '^ :■ die, wo die politische - ;V > ^^ ,': : • v Idee den ganzen v^v-^:v::>i" • '• Maatskörper bis m Gebiet de» H&uptlings Mteml in ünjamwesl. Nach Junkeu» Aufnahmen. alle Theile erfüllt. vrki. ca. »«.ooo. Theile, wo die Idee, die Seele nicht hinwirkt, fallen ab und zwei Seelen zerreissen den Zusammenhang eines politischen Leibes. Man hat die Politik als den Geist eines Staates oder die geistige Indivi- dualität bezeichnet, die ihn kennzeichnet. Das ist nicht erschöpfend 22 Friedrich Ratzel, genug. In der eidgenössischen Idee, die aus sehr verschiedenen Völker- und Staatenfragmenten die Schweiz gebildet hat, liegt z. B. viel mehr als nur die Politik der Eidgenossenschaft. Es liegt darin das ganze Verhältniss der Schweizer zu ihrem Lande und aus der geographischen Grundlage saugt diese Idee einen grossen Theil der Kraft, mit der jede starke politische Idee gleich einer starken Seele auch den schwachen Körper belebt. In der politischen Idee ist immer nicht bloss das Volk, sondern auch sein Land. Auf einem Boden kann daher auch immer nur Eine politische Macht so aufwachsen, dass sie den ganzen politischen Werth dieses Bodens in sich aufnimmt. Was andere Mächte aus demselben Boden ziehen, muss ihr verloren gehen. Es ist nicht wie das Auf- wachsen der Eiche, unter deren Krone noch so manches Gras und Kraut gedeiht. Der Staat kann ohne Schwächung seiner selbst kei- nen zweiten und dritten auf seinem Boden dulden. Daher im alten deutschen Reich der Zerfall von dem Augenblick, wo die Reichs- beamten ihre Güter zu besonderen Staaten im Rahmen des Reiches ausbildeten. Indem sie ihre Macht auf dem Boden ihres Amtsgutes oder Erbgutes lokalisierten und erblich machten, d. h. einpflanzten, ging dieser Boden dem Reich verloren. Diess war der Zerfall, der zwischen das Reich und seinen Boden neue Staaten einschob, die bewirkten, dass jenes endlich seine Verbindung mit dem Boden ver- lor und in der Luft schwebte. Je einfacher und unmittelbarer der Zusammenhang des Staates mit seinem Boden, desto gesunder ist jederzeit sein Leben und Wachsthum. Vorzüglich gehört dazu auch, dass mindestens die Mehrzahl der Bevölkerung des Staates eine Ver- bindung mit ihrem Boden, der auch der seine ist, bewahrt habe. Verlieren immer mehr Bewohner eines Staates ihren Zusammenhang mit seinem Boden, so wird das Gedeihen des Staates zurückgehen müssen. In die Geschichte eines Volkes, dem es gelungen ist, Jahr- hunderte auf gleichem Boden seinen Staat zusammen zu halten, prägt diese unveränderliche Grundlage sich so tief ein, dass es nicht mehr möglich ist, dieses Volk ohne seinen Boden zu denken. Die Holländer ohne Holland, die Schweizer ohne die Alpen, die Monte- negriner ohne die Schwarzen Berge, selbst die Franzosen ohne Frankreich, wie ist das denkbar? Die Athener in ihrem kleinen, in jedem Winkel ihnen bekannten, von ihnen politisch seit Jahr- Der Staat und sein Boden. 23 hunderten verwertheten Lande vermochten wohl den Satz zu ver- stehen, dass der Mensch und der Staat nur dem Umfange nach verschieden seien. In Völkern raschen Wachsthums und über- raschender Wandlungen sind die festen Grundlagen des Bodens doppelt beachtenswerth. Und könnte die Geschichte eines Staates in so hohem Maasse die Lehrmeisterin seiner Politik sein, vsrenn nicht die Continuität des Bodens wäre? Die Eigenschaften des Bodens wirken über viele Aenderungen des Volkes hinaus und tre- ten immer als die gleichen unter den verschiedensten Gewändern hervor. Daher wird der Blick, der von den wechselnden Zuständen des Volkes sich auf den Boden richtet, von selbst zum Femblick. Gerade darin unterscheidet sich die politische Geographie von der politischen Geschichte, dass sie durch die Betonung des Unveränder- lichen und Unverwüstlichen, das dem Boden eigen ist, auch eine Richtung auf das Werdende empfängt. Die Politik, die dem wach- senden Volke den unentbehrlichen Boden für die Zukunft sichert, weil sie die ferneren Ziele erkennt, denen der Staat zutreibt, ist eine achtere »Realpolitik« als die, die sich diesen Namen beilegt, weil sie nur das Greifbare vom Tag und für den Tag leistet. Der Staat in der Biogeographie. Die Verbreitung der Menschen und ihrer Werke auf der Erd- oberfläche trägt alle Merkmale eines beweglichen Körpers, der im Vorschreiten und Zurückweichen sich ausbreitet und sich zusammen^ zieht, neue Zusammenhänge bildet und alte zerreisst und dadurch Formen annimmt, die mit denen anderer gesellig auftretender be- weglicher Körper an der Erdoberfläche die grösste AehnUchkeit haben. In vielgebrauchten Bildern wie Völkermeer und Völker^ fluth, Völkerinsel, politische Insel, Isthmus^ und dgl. hegt eine Ahnung dieser Aehnlichkeiten, an deren tiefere Begründung freilich kaum von denen gedacht wird, die diese Ausdrücke verwenden. Sie nehmen eine höhere Stelle in der Biogeographie ein, wo si^ aufhören Bilder zu sein und zu Kategorien werden. Für diese Wissenschaft ist der Staat der Menschen eine Form der Verbreitung des Lebens an der Erdoberfläche. Er steht unter denselben Ein:- flüssen wie alles Leben. Wir haben grosse Staaten weder in den Polargebieten sich bilden sehen, noch in den Wüsten, weder in den 24 Frikdrich Ratzkl, Urwaldgebieten der Tropen, noch in den höchsten Gebirgen. Die besonderen Gesetze der Verbreitung der Menschen auf der Erde bestimmen auch die Verbreitung ihrer Staaten. Die Staaten haben sich mit den Menschen allmählich in alle Theile der Erde verbreitet und indem die Zahl der Menschen wuchs, haben auch die Staaten an Zahl und Grösse immer mehr zugenommen. Nicht jeder Boden hat sich ihnen gleich günstig erwiesen. Wir finden die grössten und mächtigsten Staaten in den gemässigten Zonen der Erde, in weiten Tiefländern, in Berührung mit dem Meer. Der Boden be- günstigt oder hemmt ihr Wachsthum je nachdem er die Bewegung der Einzelnen und Familien begünstigt oder hemmt. Daher der Ein- fluss des beweglichen Wassers auf die Staatenentwickelung, die mit Vorliebe an Küsten und Flüssen sich ausbreitet und am besten dort gedeiht, wo die Natur ein Verkehrssystem selbst vorbereitet hat wie in grossen Stromgebieten. An dem einmal gewonnenen Boden haften tausend Einflüsse, die in die grossen Kategorien Raum, Lage, Gestalt und Grenzen nicht alle zu ordnen sind. Wie verschieden sie aber auch sein mögen, sie unterliegen mit dem Boden allen den grossen Gesetzen der Bewegung des Lebens an der Erde und zwar so, dass die Aehnlichkeit der Verbreitungsformen bis zur vollkommenen Ueber- einstimmung sich steigert. Für die Grenzen haben wir es früher nach- gewiesen^®), indem wir sie als Ausdruck der Bewegung sowohl un- organischer als organischer, betrachteten. Für die elementaren Staaten- gebiide liegt die Uebereinstimmung mit einem Zellgewebe auf der Hand (Vgl. die Abbildungen S. 20 u. 21). Ueberall erkennt man hier die unabhängig von der inneren Struktur der staatlichen Organisationen aus der Verbindung mit dem Boden herauswirkenden Formähnlichkei- ten aller zusammengesetzten Lebensgebilde. Für sie alle, ob Flechte, Koralle oder Mensch, ist ja diese Verbindung allgemeine Eigenschaft, Lebenseigenschaft, weil Lebensbedingung. Zwischen den Staaten an den Grenzen der Oekumene und denen in den Gebieten des kräftigsten Gedeihens der Völker weit von diesen Grenzen müssen Unterschiede bestehen, die der geographischen Vertheilung der Men- schen entsprechen. Diese nehmen nach den Grenzen der Oekumene im Allgemeinen an Zahl ab, wobei der Boden immer mächtiger her- vortritt. Die Staaten am Rande der Oekumene sind daher alle durch ein Uebergewicht des Bodens bei geringer Zahl der auf ihm woh- Der Staat und sein Boden. 35 nendea Menschen bezeichnet, was auch bei den Hochgebirgsstaaten hervortritt. Ueberwältigte Verkehrsschwierigkeiten zeigen in Schwe- den und Russland wie in Sibirien und im Britischen Nordamerika die Uebermacht des Bodens. Je weiter wir nun Siquatorwärts fort- schreiten, auf um so engerem Raum erwachsen die grossen Mächte und um so politisch werthvoller wird der Boden, an dessen Besitz- nahme in den arktischen und antarktischen Gebieten, wo sie über- haupt versucht ward, kaum eine politische Folge sich knüpfen konnte. Das Staatsgebiet. Das Völkerrecht bezeichnet als das Gebiet eines Staates den Theil der Erde, der der Herrschaft dieses Staates aussdiliesslich unterworfen ist. Es fasst bewohnte und unbewohnbare Länder darin zusammen und dehnt das Gebiet auf unbestimmte Entfernung in die Atmosphäre und in die Tiefe der Erde aus. Dass es den Begriff des Staatsgebietes auch auf Dinge überträgt, die von dem Boden des eigentlichen Gebietes losgelöst sind, wie Schiffe, Ge- sandtschaften und dgl., passt nicht zu den üblichen Definitionen, mit denen solche Dinge nur gezwungen zusammengebracht werden. Das berührt die Geographie nicht, die dafür um so grösseres Gewicht auf die Eigenschaften des Gebietes legt, die aus dem Leben des Staats- organismus hervorgehen, der sich nie vollständig in die todten Gren- zen eines abgemessenen Flächenraums bannen lässt. Dazu gehören in erster Linie die Vor- oder Zurückschiebungen der eigentlichen Grenze durch das Uebergreifen oder Zurücktreten des Staates, die Nichtübereinstimmung der Zollgrenze mit der politischen Grenze, wie sie in der Umschliessung Luxemburgs durch die Zollvereinsgrenze ver- deutlicht wird, die freie Zone auf der Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten, und das Recht beider Staaten über die Grenze weg die räuberischen Indianerhorden auf die Nachbargebiete zu verfolgen, die freien Durchgangslinien für gewisse Erzeugnisse der Vereinigten Staaten im südlichen Neubraunschweig und viele ähn- liche Erscheinungen. Auch das Aufsichtsrecht Oesterreichs über die Küsten Montenegros, das ausschliessende Recht Russlands auf dem Kaspischen Meere Kriegsschiffe zu halten^^), wie auch alle die Be- satzungs- und Besetzungsrechte eines Staates auf dem Gebiet eines anderen gehören dazu. Im Grunde bedeutet auch die Unterstützung 26 Fribdbich Ratzbl, des Baues der (jotthardbahn durch Deutschland und Italien, das Hin überreichen der Verkehrswege auf ein Nachbargebiet, das Recht freier Schifffahrt eines Landes auf den Flüssen eines andern, ein Hinausgreifen des Untemehmungstriebes über die Grenzen. Sieht man, wie oft die politischen Grenzen solcher Ausdehnung der wirth- schaftlichen gefolgt sind, wie sogar grosse Reiche durch Zolleinigung sich gebildet oder vorgebildet haben, so erscheinen diese sog. Aus- nahmen von der vertragsmässigen Grenze als im Wesen der Peri- pherie eines lebendigen Körpers tief begründet, ja nothwendig. Sie scheinen nur der Grenze von ihrem Werth zu nehmen, indem sie sie durchbrechen; in Wirklichkeit setzen sie das Wesen der Grenze als peripherisches Organ eines lebendigen Körpers in das richtigste Licht. Es entspricht der Natur dieses Körpers, da er organisch ist, dass er die unorganischen Schranken der politischen Grenzlinien durch- bricht, wo seine Lebensthätigkeit es verlangt. Daher eben jene »über- greifenden Rechte« der Vereinigten Staaten auf Canal- und Fluss- wegen und an Küstengewässem Britisch Nordamerikas oder zur Ver- folgung räuberischer Indianer auf mexikanisches Gebiet ^^. Dass nicht bloss ein einzelner Staat derart in das Gebiet eines Nachbar- staates übergreift, sondern dass bestimmte Gebiete dem Verkehr vieler oder aller Staaten zugänglich sind, wie Mündung und Unterlauf schiffbarer Ströme oder ganze Stromgebiete, die vertragsmassig der Schifffahrt Aller erschlossen sind, zeigt das vorauseilende Wachsthum der Verkehrsgebiete, das noch über manche politische Grenze hin- ausgreifen wird, wie die wirthschaftliche Verschmelzung politisch getrennter Gebiete so mancher politischen vorausgeschritten ist. Das sind alles Uebergriffe und Vorsprünge, die aus dem politi- schen Wachsthum hervorgehen. Es ist klar, dass auch politischer Rückgang Ansprüche in Gebieten zurücklassen wird, aus denen die politische Herrschaft sich längst zurückgezogen hat. Um so mehr als eine hinter uns liegende Entwickelung die scharfe Sonderung der Gebiete nicht anstrebte, die der modernen Staatenbildung vorschwebt. Das liegt in der Natur der Sache, dass solche Ueber- und Eingriffe immer mehr zurückgehen. Es war die Weise des Mittelalters ein- zelne politische Funktionen einem Inhaber zu übertragen ohne Be- einträchtigung der sonstigen Unabhängigkeit des Landes. Das im 17. Jahrhundert so viel genannte Markgraviat Oesterreichs im Elsass Dbr Staat und sein Boden. 27 bedeutete das Recht richterlicher Funktionen, ohne dass dadurch die territoriale Souveränität berührt worden wäre. Im alten Deutschen Reich verwaltete der König von Ungarn das Reichslehen Oesterreich, der von Spanien das Reichslehen Mailand, der von Dänemark das von Holstein. Noch der deutsche Bund kannte in Holstein, Lauen- burg, Luxemburg und Limburg solche übergreifende Rechte. Frank- reich hat sich ausser seinen Kolonial rechten in Indien noch die »Loges«, Handelsplätze in den verschiedensten indischen Städten vorbehalten, ebenso wie als letzten Rest seiner nordamerikanischen Besitzungen ein Paar kleine Inseln bei Neufundland und gewisse Rechte seiner Fischerboote an den Küsten dieser Insel. Dass das Staatsgebiet immer Theile des der Küste zunächst gelegenen Meeres begreift, dessen Zugehörigkeit durch den para- doxen Ausdruck Mare territoriale näher bezeichnet wird, gehört in die gleiche Reihe politischer geographischer Thatsachen. Dieses Kttstenmeer soll sich soweit hinaus erstrecken als das Meer vom Lande aus beherrscht werden kann. Früher hat man als geringstes Maass der Herrschaft die Tragweite am Strand aufgestellter Geschütze angenommen. Man ist aber auch weit darüberhinausgegangen und hat willkürlich die Grenze hinausgerückt, bis zu 100 Seemeilen. England und nach ihm die Vereinigten Staaten ziehen Gerade von Yorgebirg zu Vorgebirg und beanspruchen die innen liegenden Meerestheile als ihr Gebiet. Auf grosse Buchten, wie den Golf von Mexiko, ist natürlich diese Methode nicht auszudehnen; wohl ist aber von den Vereinigten Staaten der Versuch gemacht worden, ihr das Beringsmeer, also 2,3 Millionen Qkm., zu unterwerfen. Die- selben Staaten rücken die Zollgrenze 4 S.-M. über die Küste hinaus. In neueren Verträgen suchte man aller Willkür auszuweichen, indem man das Küstenmeer 3 S.-M. von der Küste sich hinauserstrecken lässt, was durch die Entscheidung der pariser Konferenz von 1894 über den Streit Englands und der Vereinigten Staaten über das Beringsmeer neu bekräftigt worden ist. Die Interessensphäre. Ausser seinem Gebiet beansprucht jeder grosse Staat einen Einfluss- kreis oder Interessensphäre, die in unmittelbarer Beziehung zu seinem Inneren steht. Es ist nicht das, was West- und Mittel -Europa als 28 FB*i). Und was wäre klarer als die Abneigung aller ersten Kolonisten in einem weiten Lande gegen die fruchtbaren, schwer zu lichtenden und zu rodenden ungesunden Niederungen und ihr Wunsch nach einem gesunden, nicht mit dem dichtesten Pflanzenwuchs bedeckten, womöglich frei gelegenen Siedelplatz, der eine kleine, aber sichere Ernte verspricht? Das Herabsteigen der zahlreicher und dichter werdenden und mit besseren Werkzeugen ausgerüsteten Siedlerbevölkerung in das Tiefland, die Ausbreitung von Sand- auf Sumpfboden und von Steppenland in das Waldland ist ebenso sicher in der Entwickelung der meisten Kolonien und auch älterer Länder (man denke an Holland) die Ursache rasch zunehmen- den Wohlstandes und beschleunigter Fortschritte an Zahl, Macht und Aus- breitung geworden. Wir sehen ja am heutigen Tage die Urbarmachung der von Fruchtbarkeit strotzenden Sumpfländer der Tarais und des Sundarband im alten Indien in Gang kommen. Aber doch liegt darin noch nicht das unmittelbar Zwingende wie in dem Fortschritt von sohlechteren zu besseren Werkzeugen. Die europäischen Ansiedler in Nordamerika wussten grossentheils guten und schlechten Boden wohl zu unterscheiden. Nicht Unkenntniss, son- dern Mangel an Händen und Mitteln hielt sie ab, den besten Boden gleich zu roden. Es ist etwas anderes, wenn die Russen die sibirische Schwarzerde erst entdeckten, nachdem sie lange in ärmeren Landestheilen ansässig ge- worden waren. Es ist aber nicht ein Mangel der Kulturstufe der sie dazu brachte, sondern ein örtliches Uebersehen. Hatte doch die ältere Kultur griechischer Kolonisten die Güte der nordpontischen Schwarzerde längst in den reichsten Weizenernten bewiesen. Wir sehen hier entweder Erwägun- gen der Zweckmässigkeit oder einfaches Uebersehen. Wenn dagegen Stein- geräthe statt stählerner gebraucht wurden, lag ein nothwendiger Kulturunter- schied von Jahrtausenden dazwischen. Der Melanesier bearbeitete aber den besten schwarzbodigen Tarosumpf mit Holz- oder Knochenwerkzeugen, als der sibirische Bauer mit der Stahlaxt einen steinigen Boden am Abhang des Altai lichtete. Grossgrundbesitzer und Hörige. Viele Völker sind an den Grenzen fertiger Staaten mit der For- derung von Land für sich und die ihrigen und den damit verbun- denen Rechten erschienen und waren bereit, sieb in die Staatsord- nung zu fügen, wenn man ihnen diese Forderung bewilligte. Es mochte der angestammte Fürst seine Würde behalten und sich auf die Eingewanderten stützen, nachdem er ihnen Land verliehen hatte. Der Staat und sein Boden. 117 Traten sie mit überlegener kriegerischer Kraft auf, dann fiel ihnen freilich mit dem Land auch die politische Führung zu, zumal sie in der Regel die beherrschenden Stellungen und nicht selten auch das beste Land einnahmen. So waren die Forderungen und so die Stellung der Dorier in Argos. So lagen in Lakonien die dorischen Ackerloose zwischen den Gebirgszügen des Taygetos und Pamon in der Mitte der lakonischen Landschaft, so dass das beste und zugleich das Komland dorisch ward. Aus dieser Yertheilung entstand ein Stand von Grossgrundbesitzern und ein Stand von altansässigen Bauern, der dessen Land anbaute, nachdem er mit dem Land unter- worfen worden war. Daraus ergab sich fast naturgemSss für jenen die hervorragende Stellung des nur dem Staat und Krieg lebenden von der Arbeit der Unterworfenen sich nSihrenden Adels. Das ist der Zustand, den wir in Kreta, wie in Böotien, dort unter dorischen, hier unter thessalischen Einwanderern finden. Unjd so ist überhaupt die ältere griechische Geschichte in den meisten Theilen die einer Aristokratie von Grossgrundbesitzern über Leibeigenen, Pächtern, Sklaven, in wenigen Gegenden Kleinbauern. Das ist der Zustand, den Aristoteles philosophisch zu begründen gesucht hat, der sich über die Abhängigkeit des Staates von der Gesellschaft sehr klar war. Er glaubte das günstigste Verhältniss dort zu finden, wo über dem Demos aus Bauern eine Aristokratie von Grossgrundbesitzern ist, die durch keine Arbeit auch nicht den Ackerbau gehindert ist, sich dem Staat zu widmen. Von den Städten aus beherrschten diese Grossgrundbesitzer das Land, so lange die Städte Landstädte blieben. In afrikanischen Negerländern finden wir dieselbe Gliederung des Volkes auf Grund gleicher Besitzvertheilung : Der grundbesitzende Adel, Abkömmlinge erobernd Eingedrungener; die landbauenden Hörigen, unterworfene Altansässige; die Sklaven ohne Freiheit und Boden, meist von aussen her durch Kauf oder Tausch erworben. Der Grundbesitz ist jenen entweder persönlich eigen oder er ist, wie bei den Ba Ngala, Stammesbesitz, dessen Yertheilung dem Häupt- ling unter Zustimmung der Rathsversammlung zusteht. Die grund- besitzlosen Freien treiben Handel, Fischfang, Jagd und haben oft sogar auch keine Frauen, während die Grundbesitzer frauenreich sind. Der Mangbattufürst muss Grossgrundbesitzer sein, denn nur so ist der 118 Friedrich Ratzbl, Hofhält und die Gastfreundschaft denkbar, die sein Volk von ihm verlangt. Daher sind auch die zahlreichen Frauen und Sklaven noth- wendig, deren Hütten mit denen der Oberbeamten um die des Hofes liegen und die Residenz ausmachen ^^). Aber auch die Grund- besitzer bearbeiten den Boden nicht selbst, sondern betheiligen sich nicht selten an dem anziehenderen Handel, und überlassen jenen dem freien, aber politisch rechtlosen Ngomb6. Dabei tritt die eigen- thttmliche räumliche Zerlegung auf, dass die Ba Ngala auf der Was- serseite der Dörfer wohnen, wo die Kähne sind, während die Ngombö die den Feldern zugekehrte Rückseite einnehmen. Bei solcher räumlichen Zertheilung eines Volkes in Besitzgruppen, ist es oft nicht mehr möglich, zu unterscheiden, ob man mehrere Völker nur auf demselben Boden oder Schichten eines und desselben durch Besitzunterschiede zerklüfteten Volkes vor sich hat. Niemand zweifelt, dass die Ba Tua, Akkä und andere sogenannte Zwergvölker besondere Völker, wenn nicht eine be- sondere Rasse sind. Nun leben sie aber auf dem Boden anderer Neger- Tölker und dienen diesen, indem sie die Jagd übernehmen, vielleicht auch zu ihrer Vertheidigung beitragen. Dafür geniessen sie deren Schutz. Sie sind als an den Wald gebundene räumlich von ihren Herren getrennt, frei, aber ohne politische Rechte. Ihre Stellung ist ungefähr wie die der Ba Kete, freier Landarbeiter, zu den BaKuba, grundbesitzenden Herren. Sicherlich sind die Ba Tua und Genossen viel weniger scharf in Sprache und Kultar- besitz von ihren Herren getrennt als man glaubte. Sie sind wohl ein anderes einst selbständiges Volk, aber nun den Staatsorganismus ihrer Herren und Be- schützer innig eingefügt. Der Antheil von Gruppen am Boden und am Staat. Man muss die Auffassung bestreiten, dass es jemals einen Staat ohne Boden gegeben habe, kann aber nicht läugnen, dass es Staaten giebt, in denen den Einzelnen oder den Hausständen keine eigene Beziehung zum Boden eingeräumt ist. Sie gewinnen diese Beziehung nur mittelbar durch die Gesammtheit ihres Stammes oder ihrer Ge- meinde, wobei die verschiedensten Abstufungen vorkommen von der gemeinschaftlichen Nutzung des ungetheilten Landes bei jährli- chen Theilungen bis zu Theilungen für grössere Zeiträume, die dem Einzelbesitz ähnliche Wirkungen haben. Die soziologische Spekulation setzt dieses Gemeineigenthum am Boden an den Anfang der Eigen- thumsentwickelung. Die Menschen sollen »in der Urzeit« das Be- dürfniss gefühlt haben, sich zusammenzuschliessen, um gemeinschaft- lich den Angriffen der Feinde und der wilden Thiere Widerstand zu Der Staat und sein Roden. 119 leisten, wie auch um das Land durch die Vereinigung der Arme und das Zusammenwirken der EinzelkrSifte urbar zu machen ^^). Aber dazu ist, wie jede geschichtliche Eoloniengrttndung beweist, durchaus nicht das oUreigenthum« nöthig. Die grössten und mächtigsten Ackerbaukolonien der neueren Zeit haben sich auf dem Einzelbesitz aufgebaut und haben jenen Schulzbedürfnissen, wie der Erfolg zeigt, vortrefflich durch ihre einfachen Staateeinrichtungen genügt. Warum soll das Gemeineigenthum am Boden » Ureigen thum<( sein? Layblbte hat sich in seinem ganzen Buche De la propri6t^ et de ses formes primitives (I. Aufl. 1874), dem Hauptwerk über diesen Gegen- stand, nicht an einer einzigen Stelle deutlich über den Grund ausge- sprochen, warum er gewisse Eigenthumsformen als »primitives« an- sieht. Was berechtigt zur Voraussetzung eines » Ureigen thums«? Man kannn allerdings zwischen den Zeilen lesen, dass er die Formen als ursprünglich ansieht, die über einen grossen Theil der heutigen Völ- ker so verbreitet sind, dass sie ebensowohl bei den kulturlich niedrigst als den höchststehenden sich finden. Er glaubt, dass sie dann iü)er- all die Reste eines Entwickelungszustandes bilden, durch den das ganze Menschengeschlecht hindurchgehen musste, wobei es aber nicht ganz klar wird, ob er eine Verbreitung dieser gemeinsamen Einrichtungen von einem Punkte aus annimmt, oder eine psychische Generatio aequivoca bei jedem Volke auf einer bestimmten Stufe seiner Entwickelung. Der Vergleich mit anderen prähistorischen in die Gegenwart hineinragenden Resten kann darüber keine Auskunft geben, weil er unter einer falschen Perspektive angestellt wird. Denn wer die Verbreitung der Dolmen und der SteinwafiFen als einen Beweis für einen ursprünglich überall gleichen Zustand der Wildheit ansieht, durch den die ganze Menschheit einst durchgehen musste und die Dorfgemeinschaft als »eine Art von Universalgesetz, das in der Bewegung der Grundeigenthumsformen vorwaltet«, für den liegen diese Dinge alle in der fernsten Urzeit. Und sie sind ihm nur so allgemein verbreitet, weil sie eben die ersten und ein- fachsten Entwickelungen , weil sie die Anfänge sind. In einzelnen Wendungen, wie im Zustand des Hirtenlebens beginnt der Begriff des Grundeigenthums zu keimen ^^)«, steht Layeleye MoRCAN^schen Auf- fassungen offenbar i^icht fem und theilt denn auch dessen falsche Perspektive (vgl. o. S. 69). Wir wundern uns also nicht, dass wir / 4 20 Friedrich Ratzbl, von »den frühesten Menschen a reden hören, wo wir nach dem Stand unseres Wissens doch nichts anderes als ältere Geschlechter erblicken, die nicht einmal über die historische Zeit zurückzureichen brauchen. Wenn wir die Fälle betrachten, in denen das Gemeineigenthum am Boden heute vorkommt, so finden wir zunächst, dass es mit allen Kulturstufen verbunden sein kann, die wir überhaupt kennen, dass es auf demselben engen Raum und in derselben Völkergruppe, so in Melanesien, mit anderen Besitzformen auftritt, und dass es am wenigsten dort vorkommt, wo die Zustände noch am meisten den Eindruck des Ursprünglichen machen. Im Yerhältniss des Men- schen zum Boden kann nichts ursprünglicher sein als die Verthei- lung einer verschwindenden Menschenzahl über einen ungeheuer wei- ten Raum. Wo wir diess auf der Erde finden, begegnen wir nicht dem Gemeineigenthum, sondern der vorübergehenden Ausnützung durch die Jagd und dem halbnomadischen Ackerbau einzelner Fami- lien. Derselbe steht auch im Beginn aller geschichtlichen Gründungen von Ackerbau-Kolonien. Es ist die direkte Wirkung des Bodenüber- Ausses. Die Bearbeitung einer gemeinsam besessenen Bodenfläche durch einen Stamm ist, damit verglichen, schon ein durch die Zu- nahme der Menschen bedingter Schritt darüber hinaus. Vgl. o. S. 100. Die weite Verbreitung des Gemeineigenthums, weit entfernt eine Ur-Thatsache zu sein, empfängt geschichtliches Licht aus einem an- deren weit verbreiteten Vorgang: Das Staatseigenthum am Boden hat in gewissen kurzen geschichtlichen Zeiträumen das Eigenthum der Einzelnen in der Form in sich aufgenommen, dass der Staat als Eigenthümer den Boden an seine Bürger vertheilte, um ihn unter be- stimmten Voraussetzungen wieder zurückzunehmen. Das geschah am häufigsten nach grossen erobernden Ausbreitungen über weite »über- flüssige« Landgebiete. So finden wir in den ersten Zeiten der Me- rowinger noch wirksam die altgermanischen Vorstellungen vom Eigenthum der Völkerschaft und des Völkerschaftskönigs am Boden zusammen mit der römischen Auffassung der eroberten Provinz als Eigenthum des Imperium. Das Besitzrecht von Gruppen und Einzelnen, durch Arbeit erworben, durchbricht dann doch immer diese in der Natur der Dinge nicht begründete Auffassung. Nur wenn die Hand, die diesen Besitz hält, den Einzel int eressen gegenüber noch stärker Der Staat und sbin Boden. 121 als der Staat war, gelang das nicht so leicht. Dann sehen wir z. B. die die Thätigkeit des Volkes lähmenden und den Staat durch die Bildung eines zweiten inneren Staates schwächenden Folgen der Ansammlung eines Ubergrossen Grundbesitzes in der Toten Hand, die zum Zerfall Aegyptens wie Spaniens beigetragen hat. Anmerkungen, i. Der Staat als bodenständiger Organismus. i) Herbert Spencer, The Study of Sociology. 4 873. S. 330. t) Bluntschli citiert in seinem Vortrag Die nationale Staatenbildung (4 870) noch wie einen neuen Gedanken den Ausspruch eines Amerikaners : Nationen ent^ wickehi sich aus rohen Anfängen durch Aufnahme und Wachsthum wie organische Wesen. 3) Herbert Spencer, Principles of Sociology. (1893.) I. S. 435 — 590. 4) Albert Schafflb, Bau und Leben des socialen Körpers. (1881.) lY. S. «17 f. 5) Ich greife die besonders klare BegrifTsbestimmung und knappe Darstel- lung in Richard Hertwigs Lehrbuch der Zoologie (189t) S. 128 u. f. heraus, wo der Staat seine Stelle findet in dem Abschnitt Beziehungen der Thiere zu einander L Beziehungen zwischen Individuen derselben Art. Nach der Stockbildung wird dort die Staatenbildung besprochen. 6) Carl Menger, Untersuchungen über die Methode der Staatswissenschaflen und der politischen Oekonomie, 1883. Drittes Buch: Das organische YerstSndniss der Socialerscheinungen. 7) Caret, The Unity of Law 1873 S. 84. 8) Albert Schäfple, Bau und Leben des socialen Körpers. IV. S. 3 1 7 f. 9) Auch diese Bilder entfernen sich freilich manchmal, wo sie wie Rede- blumen ohne organischen Zusammenhang mit der Sache, gleichsam vertrocknet gebraucht werden, von der Wirklichkeit so weit, dass sogar ihre Sisthetische Wir- kung leidet. So wenn Frebman in Comparative Politics (1873) S. 38 von Ra- venna sagt: In dieser wunderbaren Stadt stehen wir gleichsam auf dem Isthmus zwischen zwei Welten. 1 0) Ueber allgemeine Eigenschaften der geograpnischen Grenzen und über die politische Grenze. In den Berichten der R. Sächsischen Gesellschaft der Wissen- schaften (Sitzung am 6. Februar 1892). 11) Seitdem die Verträge von 1813 und 18t 8 Russland das Recht gegeben haben, das Kaspische Meer »ausschliesslich t mit seinen Schiffen zu befahren, ist 122 Friedrich Ratzbl, für Russland dieser grosse See ein russisches Binneimieer und die Kartographen sollten das herücksichtigen. Das russische Staatsgebiet ragt damit in der That bis vor Resch und Barfurusch und dass es sich dadurch zwischen die Provinzen Ader- beidschan und Ghorassan schiebt ist für Persien sehr wesentlich. i%) Nicht nur wegen ihrer sachlichen Bedeutung, sondern auch um diese Beziehung zum lebendigen Organismus des Staates deutlich hervortreten zu lassen, habe ich in der zweiten Auflage meiner Politischen Geographie der Vereinigten Staaten (1893) die früher herkömmlicherweise bei Seite gelassenen »Uebergreifen- den Rechte« S. 44 — 46 eingehend dargestellt. IL Naturgebiet und politisches Gebiet. 4) Lbtser 4 726 in der Gommentatio de vera Geographiae methodo. 2) Alfred Kirchhoff hat in der Einleitung zur Länderkunde von Europa (Unser Wissen von der Erde IL 4. S. 4 4) dieser tieferen Auffassung die knappe klare Form gegeben: Europa ist ein in sich geschlossenes System von Ländern, folglich ein Erdtheil. 3) Die Vereinigten Staaten mit der ausgesprochenen Absicht amerikanisch zu bleiben. Die Kehrseite dieses Grundsatzes ist die vielberufene Lehre Monroes. Den Beziehungen der Vereinigten Staaten zu Liberia und Hawaii ist der koloniale Charakter durch formelle Erklärungen ferngehalten. Wenn Jbfferson schon vor 70 Jahren die Annexion von Cuba wünschte, war es nur wegen der Abrundung. Er schrieb 4 823 nach der Erwerbung Floridas an Monroe: Die Hinzufügung Gubas zu unserem Bunde ist genau, was wir brauchen, um unsere nationale Macht bis zur Grenze ihrer äussersten Interessen abzurunden (Thomas Jeffbrson, Complete Works VIIL- S. 300). 4) Vergl. Meyer von Knonaus Aufsatz Schweizer Berge und Schweizer Grenzen im Jahrbuch des S. A. G. 4 875. XL S. 470. 5) Nach der vollständigsten und klarsten Darstellung der organischen Difife- renzierung in H. G. Bronns Morphologischen Studien über die Gestaltungsgeselze der Naturkörper (4 858], wo die letzten zwei Drittheile des Ganzen ihrer Dar- stellung gewidmet sind. Darwins grosses, ein Jahr später erschienenes Werk, Ueber den Ursprung der Arten, das Bronn selbst ins Deutsche übersetzt hat, stellte dieses gedankenreiche Buch des Heidelberger Paläontologen in den Schatten. Es ist aber doch Zeit wieder darauf aufmerksam zu machen, dass diese mor- phologischen Studien den Höhepunkt der Einsicht in die Gestaltungsgesetze der Organismen bezeichnen, der überhaupt vor Darwin erreicht war. Ernst HIceel hat in der »Generellen Morphologie« 4 866 Bd. IL S. 250 mit Recht hervorge- hoben, dass Bronns Erörterungen über das Gesetz der Arbeitstheilung sowohl inten- siv als extensiv bedeutendef seien als die von Milne Edwards, der gewöhnlich als der Entdecker dieses Gesetzes hingestellt wird. 6) Die »sociologische ff Differenzierung G. Jägers in dem Handwörterbuch der Zoologie, Anthropologie und Ethnologie beruht sicherlich auf einem Schreib- fehler. Es ist dem Zusammenhang nach die sociale gemeint Es ist übrigens merkwürdig, dass gerade der Wald weniger zu diesen Vergleichen herangezogen Der Staat und sein Boden. 123 wird, der als an die Erdoberfläche gebundenes Aggregat lebender Wesen viel mehr zum Vergleich mit dem Staat der Menschen herausfordern sollte. m. Die Entwickelung des Zusammenhanges zwischen Boden und Staat. 4) Mucke, Horde und Familie in ihrer urgescbichtlichen Entwickelung. 1895. S. 19. Die Ueberschätzung der Bedeutung des Raumes für die Urgesellschaft und den Urstaat in diesem Buche erinnert nicht weniger an die Vernachlässigung dieses Elementes in der Sociologie wie das andere Extrem, das kritiklose Nach- beten der MoRGAN'schen Ansschauung von nicht-territorialen Urstaaten. Zu dem sachlichen Irrthum kommt in beiden Fällen der vollkommene Mangel an histori- scher Perspektive. Vgl. o. S. 68. 2) All forms of government are reducible to two general plans, using the word plan in its scientific sense. In their bases the two are fundamental ly di- stinct. The first, in the order of time, is founded upon persons, and upon relations purely personal, and may be distinguished as a society (societas). The gens is the unit of this Organization .... The second is founded upon property, and may be distinguished as a State (civitas}. The township or ward is the basis or unit of this latter, and political society is the result. Ancient Society i 878 S. 7. 3) Vgl. besonders bei Poehlmann, AusAlterthum und Gegenwart 4895 die Aufsätze; Die Feldgemeinschaft bei Homer (S. 4 05) und Extreme . bürgerlicher und sozialistischer Geschichtschreibung (S. 394). 4] Mag es auf den ersten Blick erstaunlich scheinen, dass ein Mann wie Morgan, der auf ethnographischen Sondergebieten mit Erfolg gearbeitet hat, einem allgemeinen Problem gegenüber so Unwahrscheinliches vertreten sollte, so genügt doch ein Blick auf seine Methoden, um jeden Irrthum begreiflich zu finden. Mor- gan hat sich niemals klar zu machen versucht, wie tief die heutige Menschheit in die Vergangenheit zurückreiche. Er geht von der unbewiesenen Annahme aus, dass in der Menschheit, wie sie heute ist, alle Stufen der Entwickelung vertreten seien, die überhaupt dagewesen. Es kommt nur darauf an, meint er, dass man jede Erscheinung an ihre richtige Stelle in der Entwickelungsreihe versetzt. Darin liegt die Hauptaufgabe, der Morgan viel Fleiss, aber noch viel mehr Einbildungs- kraft gewidmet hat. Allerdings wird ihre Lösung wesentlich erleichtert durch den festen Glauben, dass die Menschheit »überall so ziemlich denselben Weg durch- laufene habe. So wird man denn nur eine einzige Entwickelungsreihe zu kon* struiren haben, die dann für alle Völkerzweige der Erde dieselbe bleibt. Aber wie nun die Entwickelung gliedern? Selbst einem Morgan muss es auffallen, dass die Unterschiede der Kultur in der heutigen Menschheit den Gemein- besitz einer grossen Zahl von Ideen und Dingen nicht ausschliessen. Da er die Unterschiede zwischen manchen von diesen Besitzthümern sogar geringer anschlägt als viele andere Ethnographen, z. B. auf den Gegensatz von Stein- und Eisen- geräth nicht den hohen Werth legt, wie die Schöpfer der Kategorien Steinzeit und Eisenzeit, so wird es ihm nicht leicht fallen, die passenden Motive für seine Gliederung zu finden. Die sonst so sichere Sprache, die Morgan den ethnogra- phischen Thatsachen gegenüber führt, kommt in's Schwanken, wo es sich um 124 Fribdbigh Ratzel, diese schwere Wahl handelt. Er lässt sich aber nicht entmuthigen. Er meint, die Künste zur Gewinnung des Lebensunterhaltes möchten am besten geeignet sein, die Grundlage für eine Eintheilung der Kulturentwickelung der Menschheit abzugeben; sie seien nur noch nicht genügend erforscht. Mit anderen Worten, die elementaren Vorrichtungen zum Feuermachen, zur Bereitung der Nahrung, zur Bekleidung und zum Hüttenbau sind so allgemein verbreitet und so weit von den ursprünglichen Methoden entfernt, dass an ihre Zuweisungen an bestimmte Kultur^ stufen gar nicht mehr zu denken ist. Morgan meint aber, mit unseren gegen- wärtigen Kenntnissen könne man das gewünschte Resultat in der Hauptsache auch so erreichen, dass man »eine Reihe anderer Erfindungen und Entdeckungen aus- wählt, die' ein genügendes Zeugniss von thatsächlichen Fortschritten ablegen, um danach den Beginn der aufeinanderfolgenden Kulturstufen (successive ethnical pe- riods) zu charakterisieren t (Ancient Society id78 S. d). Und' damit kommt er u. a. dann zu der nirgends begründeten Bevorzugung der Töpferwaaren, des Bo- gens und Pfeiles, unwesentlicher Erfindungen, für den grossen Gang der Kultur- entwickelung. 5) In dem Vortrag »The Nation« as an Element in Anthropology. (Memoirs of the International Gongress of Anthropology. Chicago 4 893. S. 19 — 34). 6) Ltall, Asiatic Studies (S. i 52), wo diese Bemerkungen auf GentraMndiea gemünzt sind. Strachet dehnt sie in der Sammlung seiner Vorlesungen »India« (4 888 S. 5) auf ganz Indien aus. 7) Th. Roosbvblt, The Winning of the West 1895. I. S. 4 45. 8) »States in the Egg, Germinal Gommunities« nennt William B. Wbbdbn, in der Economical and Social History of New England 4 6SO — 4 789. Boston, 4 894 die anfänglichen kleinen Kolonien der Engländer auf dem Boden von Massachusetts. 9) Der Ausdruck No Mans-Land, Niemandsland wird zuerst in Nord- amerika angewandt auf das unbewohnte Grenzland zwischen den Indianern der Grossen Seen und des Mississippi sowie der Süd-Alleghanies. Wo die vor 4 30 Jahren noch kaum von einem Weissen durchschrittenen, fast lückenlosen Wälder des Alleghany-Gebirges sich am unteren Kentucky und Gumberland in Waldstreifen und Baumgruppen auflösen, zwischen die die Anfänge des grossen Graslandes als saftige Wiesen sich hineinschieben, lagen die parkartigen Jagdgründe der Tscherokie, Krihk und Tschikasah, die von Süden, und der Algonquin und Waiandot, die von Norden herkamen. Keiner bewohnte dieses herrliche Land, Jas wenige seines Gleichen auf der Erde hat, aber alle jagten hier. Ihre Jagd- und Kriegspfade durchzogen dieses Gebiet. Der erste Weisse, der in dieses einsame Land einge- drungen ist und eine Spur von seinen Reisen gelassen hat, ist der virginische Dr. Thomas Walker, der 4 750 den Pass des Cumberland-Gap und den Gumberland- Fluss entdeckte. Sein Reisebericht ist 4 894 von William Cobell Rives in Boston veröffentlicht worden. Vor ihm sind sicherlich Franzosen vom Ohio her und Engländer über die Alleghanies in No Mans-Land eingedrungen, um zu jagen oder Handel zu treiben. Wenn wir die Schilderungen von dem ausserordentlichen Wildreichthum dieses von Bisonten, Elenthieren, Hirschen, Panthern und Bären wimmelnden Landes lesen, dessen Salzquellen neben dem Blaugras eine mächtige Anziehung auf die grossen Wiederkäuer üben mussten, so möchten wir glauben, dass es eines jener absichtlich unbewohnt gelassenen Jagdgebiete gewesen sei, wie Der Staat und sbin Boden« 125 wir sie auch in Afrika zwischen mehreren Ländern finden. Es würde sich dann auch die Erbitterung verstehen lassen , mit der die hier jagenden Indianer die weissen Eindringlinge bekämpften. Ueber dieses Gebiet hinaus waren weite Strecken thatsächlich herrenlos zwischen dem Ohio und dem Tennessee. Die Iroquois hatten zwar einen grossen Theil davon an England abgetreten, aber die Tscheroki und Schani erhoben ebenfalls Anspruch darauf. Später ist der Ausdruck auch in andere Theile des Unioogebietes übertragen worden. So bezeichnet man den nörd- lichsten Zipfel von Texas, der später zum Indianer^Territorium geschlagen wurde als No Mans-Laod. Es hatte aber nun schon die cultiviert-corrumpierte Nebenbe- deutung eines Gebietes der Gesetzlosigkeit, einer Zufluchtstätte für Gesindel aller Art angenommen. In einem etwas anderen Sinn war der Name No Mans-Land in Südafrika gemeint, wo er einen grossen Theil des späteren Ost-Griqualandes be- zeichnet. Es ist das Gebiet am Fuss der Drachenberge zwischen den Flüssen Um- zimkulu und Kimira, das durch die Vertilgung und Auswanderung seiner Einwohner leer und herrenlos geworden war, als es 4 8Qt dem Volk Adam Kocks, des Griqua- häuptlings übergeben wurde. 4 877 ist es mit Kaffraria vereinigt worden und als einige Jahre darauf nach der vorübergehenden Bildung von Stella-Land die Regie- rung der Kapkolonie und des Südafrikanischen Freistaates die Grenz- und Besitz- verhältnisse im heutigen Britischen Betschuanenland ordneten, wurde auch festgesetzt, dass es in Zukunft überhaupt kein No Mans-Land mehr geben solle. Es liegt darin eine Anerkennung des Unrechtes, das man mit der Voraussetzung eines vollkommen herrenlosen Landes in diesen Gebieten begangen hatte und es wurde ausdrücklich betont, dass sie jeder Art von Spoliation Thür und Thore öffne. Ein anderer Sinn wohnt dem einst viel angewendeten »Gharcas« inne, womit die Spanier das politisch und grossentheils auch wirthschaftlich nicht ausgenützte In- nere des südamerikanischen Festlandes verstanden. Das bedeutet die für die spa- nische Auffassung politisch ungegliederte oder amorphe Ländermasse, aus der fast zufällig Paraguay und Bolivien entstanden sind. 4 0) Durch die Dazwischenkunft der mit den Hawaiischen Inseln in engere Beziehungen getretenen Vereinigten Staaten von Amerika vnirde die Absicht das Kabel auf Birds Island zu landen vereitelt und die viel schwierigere Anheftung auf Fannings Island nothgedrungen wieder in den Vordergnmd geschoben. 4i) Karl Pbters gebraucht einmal von der englischen Kolonialpolitik der Gegenwart das Bild Terrainspekulation im Grossen, das zugleich die politische Weit- sichtigkeit einschliesst : «Dort ist man eben durch jahrhundertelange Erfahrungen im klaren, dass Landbesitz auf der Erde ein im Preise immer steigendes Werth- Objekt darstellt, und dass auch Gebiete, welche heute noch werthlos erscheinen mögen, durch Mineralfunde oder Entwickelung der landwirthschaftlichen Technik bereits schon in einigen Jahren von grosser volkswirthschaftlicher Bedeutung sein können«. (Dr. Karl Peters, Das Deutsch-Ostafrikanische Schutzgebiet 4 895 S. 4 0). Das ist die fortgeschrittenste Schätzung des Bodens, die ihn weder seines augen- blicklichen politischen, noch seines greifbaren wirthschaftlichen Werthes halber sucht, sondern ganz im Allgemeinen wegen seiner wirthschaftlichen und politischen Nothwendigkeit. 4 2) Ernst Gurtius, Griechische Geschichte. IL S. 627. 4 3) Glausewitz, Die Feldzüge von 4 799. I. S. 62. 126 Friedrich Ratzel, 44) Naghtigal, Sahara und Sudan. Dritter Theil. 4 889. S. 4 82. 4 5) William B. Wbbden spricht in der Economical and Social History of New England 4 629 — 4789 (4 894) Bd. I. S. S9 diese Auffassung, etwas nebulos zwar, doch verständlich in den Worten aus: »The value of every soil is in the atmosphere of intelligence, industry and virtue difiused over it by resolute and enduring Citizens«. 4 6) Anthropogeographie II. Die geographische Verbreitung des Menschen. (4 892) S. 48. 4 7) Wissmann und L. Wolf, Im Inneren Afrikas (4 888) S. J06. Von Ki« ttkula, einem Dorf, das in gerader Linie 6 d. g. Meilen nördlich von Mukenges Hauptplatz liegt, sagt Ludwig Wolf: »Die Eingeborenen wissen sich hier bereits immer mehr dem Einfluss Kalambas zu entziehen und zeigen diess auch durch ein unabhängiges, zu Zeiten freches Benehmen t. Das ist hier der Charakter des Peri- pherischen. 4 8) Wissmann und L. Wolf a. a. 0. S. 43 u. f. 4 9) filaubuch über Transvaal vom Februar 4 885 S. 46. IV. Die Einwurzelung des Staates im Boden. 4) China ist auch darin dem Abendland vorgeschritten. Schon vor zwei Jahrtausenden kolonisierte es systematisch hinter dem Schutz einer Militärgrenze das Land der Eingänge. Auch den Südwesten des chinesischen Reiches hat nicht kriegerischer Ansturm, sondern das langsame unwiderstehliche Vorrücken der ackerbauenden Kolonisten gewonnen. Die grosse Kraft und Dauerhaftigkeit der chinesischen Kolonisation liegt in der Mongolei und Mandschurei wie in Formosa im Haften am Boden, von dem die lockerer mit ihm verbundenen Eingeborenen verdrängt werden, und von der Gewinnung des Westens von Nordamerika heisst es: Unser Westen ist weder entdeckt, noch gewonnen, noch besiedelt worden von einem ein- zigen Mann. Kein weitsichtiger Staatsmann plante die Bewegung, kein grosser Kriegsmann leitete sie. Es war das Werk der unaufhörlichen Bemühungen aller der rastlosen, unerschrockenen Hinterwiildler, Heimstellen für ihre Nachkommen za gewinnen. Th. Roosevelt, The Winning of the West 4 895. I. 4 45. %) MoMMSEN, Römische Geschichte. L S. 4 t 3. 3) Dahlmann, Geschichte von Dänemark. I. S. 4 39. Das ist kein Bild, son- dern Wirklichkeit. Die Geschichte der Kolonisation lehrt, dass der Kolonist sich sein Land nicht bloss erwirbt, um darauf frei zu wohnen und seine Nahrung daraus zu ziehen, sondern um frei von der Polizei des Staates zu sein. Der Ko- lonist kann nicht genug Land und nicht wenig genug Staat haben. Wie gern ver- zichtet er sogar auf den Schutz, wenn er das frei verwalten kann, was er oft unter schweren Kämpfen errungen hat. Wie mancher Squatter wanderte über die Grenze seines Staates wieder in die Wildniss hinaus. Er ahnt das alte Gesetz, dass die Zunahme der Menschen auf engem Boden den Einzelnen unfreier macht, rein räumliche Motiv der Absonderung wirksam. Kein Niederländer zweifelt daran, Auch hier ist das dass die Kolonisation seiner Vorfahren im Moorland auf grosser Hufe und im Einzelbof zusammen mit den schweren Anfängen und blühenden Er* Der Staat und sein Boden. 127 gebnissen zur Entwickelung der politischen Uaabh'äDgigkeit der Niederländer we- sentlich beigetragen habe. i) Mit Ghamplain vergleiche die treffenden Bemerkungen über die französisch- indianischen Beziehungen bei Justin Winsor: The Mississippi fiasin. The Struggle between England and France 1697 — 4763. Boston 1895. S. H6 u. f. 5) In meiner Anthropogeographie Bd. II habe ich im 8. Kapitel die Bezie- hungen zwischen Yolksdichte und Kulturstufe eingehend behandelt, wobei als ty- pische Yerhältnisse auf die Quadratmeile berechnet sich folgende herausstellten: 4. Jäger- und Fischervölker in den Randgebieten der Oekumene 0,1 — 0,3; Jäger- völker der Steppen 0,1 — 0,5; Jägervölker mit etwas Ackerbau 10 — 40. Fischer- völker auf schmalen Küsten- und Flussgebieten bis 100. Hirtennomaden 40 — 100. Nomaden mit Ackerbau 200 — 300. Ackerbauer mit Anfängen von Gewerbe und Verkehr 100 — 300. Ackerbauer mit Fischfang bis 500. Länder des Islam im steppenhaflen Westasien und Sudan 200 — 500. Junge Länder mit europäischem Ackerbau 500. Klimatisch unbegünstigte Länder Europas ebensoviel. Reine Acker- baugebiete Mitteleuropas 4000, reine Ackerbaugebiete Südeuropas 4000. Reine Ackerbaugebiete Indiens bis 10,000. Gemischte Ackerbau- und Industriegebiete ^ 5 — 6000. Gebiete europäischer Grossindustrie bis über 15000. 6) Die Hausthiere und ihre Beziehung zur Wirthschaft des Menschen. Eine geographische Studie. 1 896. S. 390 u. f. 7) Vambery, Das Türkenvolk. 1885. S. 171. 8) Nomadenvölker arischen Stammes hat das Alterthum gekannt. Hätten wir nicht die Ueberlieferung davon, so müssten wir sie hypothetisch annehmen für jegliche Erklärung des Zusammenhanges europäischer und asiatischer Arier. 9) PoTANiN, Das tangutisch-tibetanische Grenzgebiet Chinas und die Central- Mongolei. St Petersburg 1893. Leider nicht ins Deutsche übersetzt. 10) The Unity of Law; as exhibited in the Relations of Physical, Social, Mental and Moral Science. By H. G. Garey, Philadelphia 1873. Besonders im Appendix B. Occupation of the Earth. 11) GoQuiLHAT, Le Haut Gongo. S. 232 f. 12) E. DB Laveletb, Das Ureigenthum D. Ü. von Dr. Kai;l R6cher 1879. 5. 13. 13) E. DB Laveleyb, Dasselbe Werk. S. 4. Der deutsche Uebcrsetzer und YervoUständiger dieses Buches hat in das Wesen der Eigenthumsformen tiefer ge- sehen. Seine Aeusserung, dass die Schärfe und Ausbildung des Eigenthumsbegrififs nicht nothwendig ein ausgebildetes Gultur- und Wirlhschnftsleben voraussetzt (D. Ü. S. 255), wirkt nach so manchen LAVELBTE'schen Ausführungen ernüchternd. Schade, dass sie in dem Gesammteindruck des Buches zu weit zurücktritt. N Thi0 book shoiild be retumed to the Library on or before tho last date Btamped below. A üne of üve oents a day is inourred by retaming it beyotid the apeciüed time* Pleasa retam prompt ly» OUflFR-4 ^4^ ^ -* r^